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Kolumne „Kaffeehaus“

Das Dilemma der Konservativen am slowakischen Beispiel

Am 16. Mai, einen Tag nach dem Attentat auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, saß ich am Fenster in meinem Lieblingscafé und genoss einen Cappuccino. Am Handy las ich mir alle Nachrichten zu dem tragischen Ereignis in der mittelslowakischen Kleinstadt Handlová (Krickerhau) durch. Ein Mann vom Nachbartisch drückte mir die belgische Tageszeitung Le Soir in die Hand, er habe sie bereits durchgeblättert. 

Auf der Titelseite stand ein Bild des Rettungsteams, das den slowakischen Regierungschef in das nächste große Krankenhaus transportierte. Auf derselben Seite wurde Fico als ein prorussischer Politiker mit Sympathien für Putin beschrieben. Nun hat es also unser kleines Land in die Schlagzeilen weltweit geschafft. Dem schwer verwundeten Fico, den einige Kugeln aus der Schusswaffe des Attentäters trafen, drückten Menschen ihre Solidarität aus. Manche beteten – wahrscheinlich zum ersten Mal – für diesen Politiker.

Nun schien es fast wie ein Wunder, als Fico vor einigen Tagen sein erstes Statement vor den Kameras abgab. Alle warteten darauf und fragten sich, ob eine derartige Erfahrung diesen umstrittenen Mann verändern wird. Fico aber trat in gewohnter Manier entschlossen und professionell auf.

Dieser Mann ist nicht leicht zu stoppen

Einige Tage vor den Europawahlen schien ein guter Anlass für seine Botschaft. Dem Attentäter verzeihe er, sagte er – schließlich sei dieser nur „ein Bote des Bösen“ gewesen. Die Mainstream-Medien und Oppositionspolitiker verschonte er jedoch nicht, diese wären nach Misserfolgen der vergangenen Wahlen frustriert und hasserfüllt. 

Er betonte, wie sonst immer, auch die Wichtigkeit seiner souveränen slowakischen Politik. Und er bedauerte den Ausschluss seiner Partei SMER aus der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) direkt nach seinem Wahlsieg im September 2023. Die Gründe dafür seien „eine andere Sicht auf den Krieg in der Ukraine und unsere Zurückhaltung bei der Unterstützung der extremen Haltungen in den ethischen Fragen“ gewesen.

Kurzum: Fico ist zurück und das stärker denn je. Es war auch jedem klar, der sein politisches Comeback im vergangenen Jahr aufmerksam verfolgte, dass dieser Mann nicht so leicht zu stoppen ist. Und es ist auch klar, dass dies seinen Opponenten nicht sonderlich gefallen kann.

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Kritik von Konservativen und Progressiven

Der Ministerpräsident habe seine Chance auf eine Versöhnung der Gesellschaft und einen „Neustart“ nicht genutzt, fassten es sowohl die Konservativen als auch die Progressiven in ihren Stellungnahmen einstimmig zusammen. Der Chefredakteur der größten konservativen Zeitung der Slowakei, Postoj, beklagte gar, dass Fico nicht wie ein verwundeter Mann, sondern wie ein „politischer Terminator wirkte, den der Attentäter beinahe zum Tod zerschossen hat, der sich zusammenriss, aufrichtete und ungestört weiterlief, um seine Feinde zu besiegen“. Es war sicherlich naiv zu denken, dass ein Fico ausgerechnet jetzt Schwäche zeigen und sich in die Karten blicken lassen würde. 

Die slowakischen Konservativen sind in einer schwierigen Lage. Denn sie finden angesichts der vielen gesellschaftlichen Veränderungen und eines Politik-Profis wie Fico, der längst alle politischen und kulturellen Trends durchschaut, ihre Rolle nicht mehr. Die konservativen Medien und Parteien haben keine eigenen Themen und auf die großen Herausforderungen der Zeit auch keine überzeugenden Antworten. 

Die Christdemokraten organisierten sogar gemeinsam mit der ultra-progressiven Partei Progresívne Slovensko (PS) Demonstrationen gegen die Regierung und unterstützten ohne Wenn und Aber den eher liberalen Präsidentschaftskandidaten Ivan Korčok. Sie hatten auch keinen eigenen Kandidaten aufgestellt und wirkten bei der gemeinsamen Sache mit den Progressiven zufrieden. Nicht umsonst kreisen sie seit Jahren um die fünf bis sieben Prozent der Wahlstimmen in der eher konservativen Slowakei.

Die Konservativen sollten über eine Strategieänderung nachdenken

Der viermalige Ministerpräsident und politische Fuchs Robert Fico weiß es und bespielt die konservative ländliche Bevölkerung mit Leichtigkeit. Als Antwort darauf betonen die Christdemokraten ihre „anständige und wertegeleitete“ Politik. Das klingt zwar nett, ist aber noch kein Inhalt und spricht nur die an, die sie bereits seit zwei, drei Jahrzehnten wählen. 

Fico und seine Verbündeten in der Regierung (darunter auch die rechte Slowakische Nationalpartei) wissen jedoch, wo der Schuh drückt: Sie werben mit dem Frieden, der Ablehnung der „liberalen Agenda“ (wie etwa des Transgenderwahns) und der Aufarbeitung der Covid-Jahre, wo auch in der Slowakei massiv gegen die Menschenrechte verstoßen wurde. Dazu muss gesagt werden, dass Fico hier nicht nur opportunistisch agiert, sondern sich gerade in der Zeit von Corona radikalisierte. Er wurde zum Anführer all jener, die die harten Maßnahmen der damaligen Regierung abgelehnt hatten. 

Der Regierungschef der Slowakei scheint nach dem Attentat auf ihn politisch weiterhin einiges vorzuhaben. Es wäre für die Konservativen an der Zeit, über eine Strategie-Änderung nachzudenken und auch von politischen Gegnern wie Fico zu lernen, wie man Erfolge erzielen kann.

Den Konservativen in ganz Europa kann man am Beispiel der Slowakei nur empfehlen, sich hart und entschlossen für ihre Sache einzusetzen und nicht immer gefällig sein zu wollen.

 

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