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Kolumne „Der Philosoph“

Die dringliche Kunst, Feind von Feind zu unterscheiden

Für die seit Wochen demonstrierenden Massen scheint klar: Der Feind steht rechts. Und diesen Feind, dem man ununterbrochen „Hass und Hetze“ vorwirft, gilt es im Namen von Demokratie und Menschenwürde zu hassen. Auf tragisch-komische Weise wurde dieser Widerspruch vor kurzem durch ein Foto aus Aachen eingefangen. Darauf ist zu sehen, wie Demonstranten hinter einem Banner mit der Aufschrift „AfDler töten.“ hinterherlaufen. Die Wahl des Satzzeichens – Punkt statt Ausrufezeichen – soll in diesem Fall vor strafrechtlicher Verfolgung bewahren. Sowohl Absender als auch Adressaten dieser Botschaft wissen aber natürlich um den Ernst, der hinter dem vermeintlichen Sprachwitz steht. Lachen können darüber daher nur die Antifa und ihre Sympathisanten. Die Lokalzeitung versah das Bild jedenfalls ironiefrei mit der Überschrift: „Aachen macht mobil gegen rechte Hetze.“

Angesichts solcher Vorfälle, die Symptom einer allgemeinen Stimmung im Land sind, drängt sich folgende Frage auf: Wie kann es sein, dass eine Gesellschaft, in der ständig über Menschenfeindlichkeit und Spaltungen geklagt wird, derart besinnungslos einem von Hass geprägten Freund-Feind-Schema verfallen ist? Klärung kann hier die kleine Schrift „Über den Begriff des Politischen“ (1932) des Staatsrechtlers und Rechtsphilosophen Carl Schmitt bringen.

Wenn der Bürgerkrieg am Horizont steht

Schmitt sah den Kern des Politischen in der Unterscheidung von Freund und Feind. Im eigentlichen, politischen Sinne bezieht sich die Kategorie des Feindes nach Schmitt auf den öffentlichen, außenpolitischen Gegner eines Gemeinwesens. Diese Gegnerschaft muss nicht akut kämpferischer oder kriegerischer Natur sein, aber es muss die reale – also nicht nur logisch denkbare – Möglichkeit einer solchen Auseinandersetzung geben. Nur da, wo es einen Feind in diesem Sinne gibt, haben wir es laut Schmitt mit Politik im wahrsten Sinne des Wortes zu tun.

Von einem Feind in innenpolitischer Hinsicht kann nach Schmitt daher nur in einem abgeleiteten und abgeschwächten Sinne die Rede sein. Wo aber innerhalb eines Gemeinwesens im vollen Wortsinne vom Feind gesprochen wird, da steht der Bürgerkrieg am Horizont.

Entscheidend, um die begrifflichen und tatsächlichen Verwirrungen unserer Tage zu verstehen, ist bei alledem: Die politische Feindschaft, wie Schmitt sie konzipiert, hat nichts mit der persönlichen Feindschaft, die typischerweise von tiefer Abneigung oder gar Hass geprägt ist, zu tun. Daher bezieht sich nach Schmitt auch das christliche Gebot, den Feind nicht zu hassen, sondern zu lieben, nur auf den persönlichen Fall. Der rein politische Feind im Sinne Schmitts steht jenseits der Kategorien von Liebe und Hass. In diesem Sinne kennt auch das Lateinische zwei verschiedene Wörter, wo im Deutschen unterschiedslos nur vom „Feind“ die Rede ist: Der politische Feind ist der hostis, der persönliche Feind dagegen der inimicus, gewissermaßen der „Unfreund“.

Wenn aus politischem Streit ein Kampf gegen das Böse wird

Katastrophal ist nun, wenn diese beiden Feindesbegriffe nicht mehr voneinander unterschieden werden, wenn also die private und die politische Feindschaft miteinander verschmelzen. Insbesondere die Geschichte der Moderne – man denke nur an den Zweiten Weltkrieg – ist voller Beispiele, in denen der (außen-)politische Feind zum Gegenstand persönlichen Hasses wurde. In der Konsequenz erscheint ein Friedensschluss unmöglich, weil der Andere nicht als politischer Gegner, sondern als das Böse, als ein auszumerzender Verbrecher, betrachtet wird.

Verschärft wird die Gefahr dieser Vermischung der Feindbegriffe noch, wenn ein innenpolitischer Gegner statt eines äußeren Feindes im Zentrum der Politik im Allgemeinen steht. Im schlimmsten Fall droht dann nämlich ein von unerbittlichem Vernichtungswillen geprägter Bürgerkrieg. Das eingangs erwähnte Transparent aus Aachen legt beredtes Zeugnis über das vorhandene Potenzial für eine solch mörderische Gesinnung ab.

Die Gewaltbereitschaft zeigt sich schon in Taten

Die Gewaltbereitschaft gegen den zum Verbrecher erklärten Feind zeigt sich in den letzten Jahren aber auch bereits in Taten. Beispielhaft dafür stehen der Mord an Walter Lübcke, die zahlreichen körperlichen Attacken gegen AfD-Politiker, aber auch Fälle wie der politisch motivierte Angriff von Linksextremisten auf eine Angestellte einer Immobilienfirma 2019 in Leipzig.

Gerade diejenigen, die die Schmittschen Differenzierungen zum Begriff der Feindschaft am dringendsten zur Kenntnis nehmen sollten, werden es vermutlich nicht tun, weil sie von einem als „rechts“ gebrandmarkten Denker stammen. Dabei wäre es gerade im Sinne des sozialen Friedens dringend geboten, Feind (hostis) von Feind (inimicus) unterscheiden zu lernen. So ließe sich vielleicht ein parteipolitischer Kampf um die Macht im Land ohne persönlichen Hass führen.
 

 

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Kommentare

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Kommentar
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Bernstein
Vor 2 Monate 3 Wochen

Der Feind ist rechtsextrem; für mich als Konservativen schließt sich das nicht aus. Schade, dass nicht erwähnt wurde, dass der Mörder von Walter Lübcke, der ein konservativer Christ war, ein Sympathisant der AfD ist.

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Isis Alina Klinken
Vor 2 Monate 3 Wochen

Das ist ja genau, was gemeint ist, dass der politische Feind von einem persönlichen (also reine interpersönliche Ebene) zu unterscheiden ist. Sowohl bei dem Mord an Walter Lübcke als auch bei dem Angriff auf die Immobilienangestellte sind die beiden Feindesarten seitens der Angreifer nicht unterschieden worden.

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Dym
Vor 2 Monate 2 Wochen

Vielen Dank für diese Aufmunterung zur Objektivität. Dieses Streben nach echter Objektivität brauchen wir, wenn wir versuchen wollen, die Hintergründe der Entwicklung der Menschheitsgeschichte in den letzten Jahren zu verstehen.

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Anmerkung der Redaktion: Bitte sehen Sie von dem übermäßigen Einfügen von Links ab und beziehen Sie sich in Leserkommentaren auf den Inhalt des Artikels. Vielen Dank!

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Bernstein
Vor 2 Monate 3 Wochen

Der Feind ist rechtsextrem; für mich als Konservativen schließt sich das nicht aus. Schade, dass nicht erwähnt wurde, dass der Mörder von Walter Lübcke, der ein konservativer Christ war, ein Sympathisant der AfD ist.

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Isis Alina Klinken
Vor 2 Monate 3 Wochen

Das ist ja genau, was gemeint ist, dass der politische Feind von einem persönlichen (also reine interpersönliche Ebene) zu unterscheiden ist. Sowohl bei dem Mord an Walter Lübcke als auch bei dem Angriff auf die Immobilienangestellte sind die beiden Feindesarten seitens der Angreifer nicht unterschieden worden.