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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Kopftuch versus Kreuz

Es gibt die Religionsfreiheit. Es gibt den Grundsatz, dass die Schule ein säkularer Raum ist und nicht nur auf politische, sondern auch religiöse Beeinflussung zu verzichten hat. Und es gibt natürlich auch die Freiheit, sich zu kleiden, wie man möchte. Es ist eine Gemengelage, die manchmal zu unangenehmen Überschneidungen führt.

In Eschenbach, einer kleinen Gemeinde im Osten der Schweiz, konnte eine Lehrerin ihre Stelle nicht antreten, obschon sie so gut wie angestellt war. Der Grund: Sie ist gläubige Muslima, trägt Kopftuch und gedachte, das auch im Klassenzimmer so zu halten. Den Behörden war das bekannt, sie gingen aber davon aus, das sei machbar. Zumal die junge Frau im Gespräch kein Problem damit geäußert habe, christliche Traditionen in ihrer Klasse zu thematisieren.

Einige Eltern stießen sich allerdings am Kopftuch, und juristische Abklärungen ergaben, dass ihre Einwände vor Gericht gute Chancen gehabt hätten. Die Eschenbacher wollten das Risiko eines möglicherweise jahrelangen Rechtsstreits nicht eingehen und verzichteten auf die Anstellung.

Angst vor „Eunuchen“

Die inzwischen lautstarke Debatte dreht sich nun um die Frage, ob die Religionsfreiheit des Einzelnen oder der von der Religion freie Unterricht im Vordergrund stehen müsste. Die Zeitung Tages-Anzeiger räumt Platz frei für ein Pro und Kontra innerhalb der Redaktion. 

Die Kritikerin der Entscheidung fährt schweres Geschütz auf. Sie spricht von Diskriminierung, vom verfehlten Wunsch nach einer „islamfreien Schule“, und sie wirft die Frage auf, ob einem jüdischen Lehrer mit Kippa dasselbe passiert wäre. Oder einer homosexuellen Lehrkraft. Man dürfe, und nun wird es originell, die Forderung nach einer neutralen Schule nicht dazu verwenden, die Schüler „zu religiösen, politischen und sexuellen Eunuchen“ zu machen.

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Die Angst, dass die Schüler zu sehr vor Beeinflussung durch Lehrer geschützt werden, bis sie gar keine Haltung mehr entwickeln, ist realitätsfern. Indoktriniert wird täglich, aber ironischerweise gerade unter dem Vorwand, neutral sein zu wollen. Auf der Strecke bleiben angestammte Traditionen und kulturelle Werte.

Wer aus der schulischen Weihnachtsfeier eine „Jahresendfeier“ macht, legt ein klares Bekenntnis ab, die christlichen Wurzeln ausreißen zu wollen. Wer an der Fasnacht, dem Schweizer Karneval, Schülern untersagt, als Indianer aufzutauchen, entscheidet sich für die Religion der Wokeness. Dasselbe gilt, wenn man am Sporttag nur noch Geflügelwürste auftischt, um die Gefühle muslimischer Schüler nicht zu verletzen. Das sind alles real existierende Beispiele.

Ein stärkeres Symbol

Dazu kommt nun auch die Idee, ein Kopftuchverbot müsste, wenn es schon gelten soll, zwingend einhergehen mit der Verbannung christlicher Symbole wie einer bescheidenen Halskette mit Kreuz. Der Vorschlag kommt von einem emeritierten Rechtsprofessor und verrät viel über den Zustand des Landes. Der Mann mag juristisch recht haben damit, dass religiöse Neutralität konsequent gelebt werden müsste, wenn sie in einem Fall eingefordert wird. Aber die Gleichsetzung von Kopftuch und Halskette widerspricht dem gesunden Menschenverstand.

Das Kopftuch steht für eine Religion, deren gelebte Wirklichkeit in vielen Fällen im Kontrast zu unseren abendländischen Werten steht. Es ist darüber hinaus weit mehr als ein Bekenntnis zu einem Glauben. Es steht auch für die Bewertung von Mann und Frau und deren Verhältnis beziehungsweise dem Machtgefälle zwischen ihnen. Und während man eine Halskette auch elegant unter Hemd oder Bluse verschwinden lassen kann, spricht das Kopftuch eine unablässige, klare Sprache. 

Wer ein Kreuz um den Hals trägt, hat wohl in den seltensten Fällen die innere Überzeugung, dass jeder, der nicht dasselbe tut, deshalb weniger wert ist. Die Verfechter des Kopftuchs im Islam hingegen haben ein klares Bild von Frauen, die ihre Haare zur Schau stellen, und es ist kein positives. Mit diesem Bild begründen nicht selten junge Muslime, die Mädchen oder Frauen sexuell belästigen, im Nachhinein ihr Handeln. Kein Kopftuch zu tragen, setzen sie gleich mit einem Aufruf, Hand anzulegen – Freiwild gewissermaßen.

Das alles mag auf die bewusste Lehrerin in Eschenbach nicht zutreffen. Aber die Entscheidung ist insofern zu begrüßen, als sie auch grundsätzlich gelesen werden kann. Nach Jahren, in denen christliche Traditionen in der Schule unter Druck stehen oder leise aus dem Weg geschafft wurden, steht nun fest, dass sich immerhin doch einige Schweizer nicht umgekehrt auch noch von anderen Traditionen überrollen lassen wollen.

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