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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Schlagabtausch unter Frauen

Seit dem 14. Juni 1981 sind Männer und Frauen in der Schweiz vor dem Gesetz restlos gleich. Seither gilt das Datum als weiblicher Feiertag. 1991, zehn Jahre nach dem Ja zur Volksinitiative, die der Gleichberechtigung den Weg ebnete, fand erstmals ein schweizweiter Frauenstreik statt. Einige hunderttausend Frauen bejubelten dort auf der Straße einerseits die Entscheidung von damals und forderten gleichzeitig, dass dieser nun auch konsequent umgesetzt werde. Was aus ihrer Sicht nicht der Fall war. Und immer noch nicht ist.

Seither ist das Land – oder zumindest seine urbanen Zentren – an jedem 14. Juni in Violett getaucht, der Kampffarbe der demonstrierenden Frauen. Sie beklagen sich praktisch Jahr für Jahr in erster Linie über die Lohnungleichheit zwischen Mann und Frau. Diese ist nicht ganz unumstritten. Es gibt zweifellos Unterschiede bei den Gehältern, die sich allerdings oft auch mit verschiedenen Funktionen und Qualifikationen erklären lassen.

Die Auflage von 2023 steht aber abgesehen von konkreten Themen ganz generell unter veränderten Vorzeichen. Denn erstmals heißt der Anlass nicht mehr Frauenstreik, sondern „feministischer Streik“. Die Umbenennung durch die Veranstalter ist dem Zeitgeist geschuldet. Schließlich gibt es ja längst nicht mehr nur zwei Geschlechter, da wirkt der Begriff „Frau“ wie aus der Zeit gefallen.

Feministisch fühlen darf sich heute jeder und jede und jedes

Feministisch fühlen hingegen darf sich jeder und jede und jedes. Vor allem auch die Gruppe der FLINTA-Personen, die durch die Umbenennung berücksichtigt werden soll. Diese Buchstabenfolge umschreibt „Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre sowie trans- und agender-Personen“. Einfacher geht es heute leider nicht mehr. Nebenbei bemerkt: Ein sauberes Deutsch wird im Schulsystem inzwischen kaum mehr vermittelt, dafür kennen die Abgänger nach der obligatorischen Schulzeit jede Menge lustiger Kürzel. Das hilft sicher bei der beruflichen Karriere.

Jedenfalls darf am 14. Juni also auch mitstreiken, wer sich nicht „als Frau definiert“. Denn das Geschlecht dürfe nicht mehr länger eine Rolle spielen, sagen die Organisatoren. Damit wird es zumindest für die aussterbende Gattung der ahnungslosen Heteromänner etwas kompliziert.

Die Beteiligten demonstrieren also gegen die Benachteiligung von Frauen, die es aber in dieser Art gar nicht mehr gibt, weil die „binäre Kategorisierung“ eine Erfindung des elenden Patriarchats ist, das sowieso abgeschafft gehört?

Der frühere Frauenstreik genoss Wohlwollen auch in der politischen Mitte

Die Frage sei erlaubt, und sie ist völlig ernst gemeint: Wer streikt denn hier genau noch für wen oder gegen was? Frauen, die sich nicht als Frauen definieren, aber Frauenrechte durchsetzen wollen? Die dann wiederum Frauen zugutekommen, die es aber wie gesagt nicht mehr gibt? Oder nur noch vereinzelt?

Diese Verwirrung hat auch einige der früher Beteiligten erreicht. Der einstige Frauenstreik war einer der wenigen Anlässe, bei denen sich die politische Linke und die Mitte in Harmonie zum gemeinsamen Kampf trafen, solange sie über eine Gebärmutter verfügten. Es taten jeweils auch Frauen mit, die mit der ganzen Palette an Radikalforderungen von links im Bereich der Gleichberechtigung wenig anfangen konnten. Einfach, weil auch sie fanden, dass es in der Sache der Frau noch einiges zu tun gibt.

Nun aber klinken sich die gemäßigten Frauen aus. Sie wollen kein Teil eines „feministischen Streiks“ sein, weil sie erstens den Begriff verfehlt finden und zweitens – nicht ohne Grund – befürchten, dass die allgemeine Bevölkerung mit einem Buchstabensalat wie FLINTA wenig anfangen kann. Der frühere Frauenstreik hatte durchaus Wohlwollen über die Geschlechter- und Parteigrenzen hinaus gefunden, aber gerade die Damen der „Mitte“, der einstigen Christlich-Demokratischen Volkspartei, befürchten, dass das nun nicht mehr der Fall sein wird, und sie möchten sich am neu benamsten Vehikel nicht mehr beteiligen.

Die militante Linke hat den Streik an sich gerissen

Unterm Strich hat die militante Linke damit einen Anlass, den es seit 30 Jahren gibt, handstreichartig an sich gerissen und so gemäßigte Kräfte verscheucht. Es ist anzunehmen, dass die Zahl der Teilnehmerinnen am 14. Juni kleiner ausfallen wird als bei früheren Austragungen. Ohne Frage ist durch den Kunstgriff die reine Lehre der Gleichberechtigung aus linker Sicht zurückerobert, aber zu einem hohen Preis.

Die Chancen sind groß, dass es unter dem neuen Titel Jahr für Jahr zu einer Art Neuauflage der 1. Mai-Demonstrationen kommt, einfach mit einem höheren Frauenanteil. Wobei, pardon, es sind ja nicht zwingend Frauen. FLINTA eben.

Fassen wir zusammen. Wir werden in diesen Tagen Frauen sehen, die nicht zwingend Frauen sind und die für Frauen streiken, die ebenfalls nicht zwingend Frauen sind, und das mit der Absicht, sich einzusetzen für Frauen, die ebenfalls nicht zwingend Frauen sind.

Wer das alles auf die Reihe kriegt, hat zweifelsfrei einen arbeitsfreien Tag verdient. Ganz ohne Streik. Einfach aufgrund der intellektuellen Höchstleistung.

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Kommentare

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Kommentar
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Helen D.
Vor 1 Jahr 1 Monat

Köstlich!
Einfach nur köstlich!!!!!!!!!
Ich bin bekennde/r Millius-Fan*:_in

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Christ
Vor 1 Jahr 1 Monat

Besser lässt sich die Absurdität der Transideologie, wie sie Familienministerin Lis Paus durchsetzen will, nicht darstellen. Der Beitrag sollte Pflichtlektüre werden für Leute wie die christliche (?!) Miss Germany.

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C.K.
Vor 1 Jahr 1 Monat

Tucholsky-Preis für Herrn Millius!!!!!!!!!!

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Helen D.
Vor 1 Jahr 1 Monat

Köstlich!
Einfach nur köstlich!!!!!!!!!
Ich bin bekennde/r Millius-Fan*:_in

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Christ
Vor 1 Jahr 1 Monat

Besser lässt sich die Absurdität der Transideologie, wie sie Familienministerin Lis Paus durchsetzen will, nicht darstellen. Der Beitrag sollte Pflichtlektüre werden für Leute wie die christliche (?!) Miss Germany.