Für die, die keinen Karneval mögen
Wir sind keine Jecken, aber wir leben im Jeckenland: in Düsseldorf am Rhein, und da ist jetzt Karneval. Judiths Tochter hat schon seit zwei Wochen darauf gewartet, das orange-grüne Hippie-Kostüm mit Peace-Zeichen anzuziehen, die Kleinste geht als Fee, mein Sohnemann steckt etwas lustlos in einem Ganzkörperfrosch, ich habe Judiths alte Schlaghosen an, und sie hat meinen Hut auf. So weit, so lustig.
Eine Verkleidung, denke ich, während wir bei Nieselregen in die Kneipe trotten, macht aus Kleidern das, was eine Verdrehung aus einem Dreh macht, was das Verlernen mit dem Lernen macht und das Versemmeln mit dem Semmeln. Nämlich das Gegenteil. Wer einen Schuss versemmelt, semmelt ihn eben vorbei statt mitten rein, und wer sich verkleidet statt kleidet, sieht hinterher meistens scheiße aus und nicht gut.
Uncool ist das neue cool, sagt meine Frau
Ich hatte deswegen mit dem Gedanken gespielt, eine Top-Gun-Fliegeruniform inklusive Spiegelbrille überzustreifen, so dass Tom Cruise einpacken könnte, aber Judith hat gesagt, dass echte coole Jungs so etwas nicht nötig haben. Uncool sei vielmehr das neue cool. Und so schaue ich etwas missmutig auf meine Schlaghosen, wo unten wirklich ein Elefantenfuss hineinginge neben meinem eher zierlichen Unterschenkel, der sonst in Slimfit-Hosen steckt, weil die ein schlankes Bein und damit circa zehn Jahre jünger machen.
In der Kneipe singt Vicky Leandros vom Karussell, das sich weiterdreht. Ich mag das Lied, weil mir mal ein Mädchen dazu den Kopf verdreht hat. Der Köbes bringt das Bier auf autoreifengroßen Tabletts, ohne dass du ihn rufst. Er zieht mit einem dicken Bleistift energische Striche auf dem Bierdeckel, der unsere Rechnung ist.
Manchmal ist es gut, ein Jeck zu sein
Der halbe Stadtteil ist da, es gibt Piraten, mehrere Giraffen, einen Eisbär, einen Koch, und der Trend, als Gegenstand zu gehen, wie etwa als Kaffeetasse oder Toaster, ist hier noch nicht angekommen. Der Vormittag geht in den Nachmittag und der Nachmittag in den Abend über, es riecht nach verschüttetem Bier und dem Parfüm, das Herren auflegen, die als Damen gehen.
Ich lerne eine hübsche Hexe kennen, ein Seemann gibt mir einen aus, die Pommes sind köstlich, und bei „Daddy Cool“ strahlt mir die Kleinste ins Gesicht und wippt mit den Hüften. Manchmal ist es ein bisschen besser, ein Jeck zu sein, denke ich und verliebe mich in eine Frau mit Hut.