Rockstar werden
Neulich am See. „Judith“, rufe ich meiner Frau zu, „du kannst mich ab jetzt Hörmann the Görman rufen!“ „Wieso das?“, fragt sie etwas zu beiläufig. „Weil ich ein Rockstar bin.“ Tatsächlich habe ich neulich bei der Taufe unserer Jüngsten ganz passabel in der Kirche gesungen.
Also hat der Chorleiter mich zum Probesingen montags um 18.30 Uhr eingeladen, was ich seitdem vor mir herschiebe, weil es noch viele Montage in meinem Leben geben wird und so ein Entschluss reifen will. Die damit möglicherweise einhergehende Solokarriere als Rockstar lässt mich allerdings nicht mehr los.
Ich sehe die Plakate an den großen Stadien der Welt vor meinem inneren Auge: „Hörmann the Görmann and his Nibelungen-Orchestra“, dazu ein krass gestreckter Mittelfinger, an dem ein Ring aus grobgeschmiedetem Eisen steckt und das Schwarze unter dem Fingernagel zu sehen ist. Unsere erste Tour hieße „Mental Breakdown One-dot-zero“.
Sturzfallschirme und Luftgitarren
Wir ließen die Bühne vor den Augen der ekstatischen Zuschauer explodieren, bevor wir den ersten Schritt darauf gesetzt hätten. Wir würden mit Sturzfallschirmen über den Trümmern abspringen und noch in der Luft die ersten Bassgitarrentöne anschlagen. „Aha, Luftgitarre“, bemerkt Judith.
Ich gehe gar nicht darauf ein, sondern male mir aus, wie ich die 50.000-köpfige Bestie, die mich aus Liebe verschlingen will, mit einem atemberaubenden Riff und einem schmutzigen „Halleluja“ an den Rand der Ohnmacht bringe.
Mein Welthit hieße: „Ich bin so wild nach deinen Erdbeerlippen“. Gegen Ende nicht enden wollender Zugaben würde ich das Kirchenlied vor 50.000 schwenkenden Feuerzeugen schmettern und Frauen würden nach meinen Schweißtüchern lechzen, von denen ich zwei pro Song in die Menge pfefferte.
„Natürlich haben Rockstars Frauen“
„Frauen?“, fragt Judith. „Natürlich haben Rockstars Frauen – oder Männer, je nachdem“, sage ich und ergänze, dass das die Aura eben so mit sich bringe und ein Rockstar ohne Abgründe etwa so interessant sei wie der Auftritt des Fernsehballetts bei der Bambi-Verleihung. „Dann fände ich es ein bisschen besser, du lässt das“, sagt Judith sehr bestimmt.
Das Thema hatte sich damit erledigt. Nur als ich jüngst vor dem Urlaub meine ADAC-Reiseschutz-Plus Versicherung abschloss, zuckte es mich kurz im Finger und ich hätte den Antrag in doppelter Ausführung fast mit „Hörmann the Görmann“ unterschrieben.
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