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Kolumne „Ein bisschen besser“

Vetternwirtschaft

Familie war ja jetzt kürzlich ein großes Thema. Es gibt Familienunternehmer, die sich dafür beglückwünschen, wenn die Tochter die Nachfolgerin wird und der Onkel den Vertrieb übernimmt. In der Politik ist das verboten. Da herrscht Vetternwirtschaft, wenn der Schwager die Nachbarabteilung führt, und die Schwester auch mal einen Auftrag bekommt.

Judith und ich sind auch ein Familienunternehmen, und bei uns herrscht Vetternwirtschaft im großen Stil. Tante Clara aus Künzelsau hat zum Beispiel durch Schweizer Verbindungen das Geld in die Familie gebracht, das zwar nun auch schon wieder alle ist, aber wir erzählen uns mit Hochachtung von ihr. Onkel Götz pilotierte einst Düsenjets, bevor er in die Versicherungsbranche einstieg, in der ich auch mal war. Weil wir nicht so viel Kontakt hatten, konnte er mir nicht rechtzeitig sagen, dass Düsenjets interessanter als zum Beispiel Sterbegeldversicherungen seien.

Familienfeiern, bei denen dann Aufträge vergeben werden

Damit derart essenzielle Informationen nicht unter den Tisch fallen, machen wir jetzt regelmäßig Familienfeiern, bei denen dann Aufträge vergeben werden, was super läuft, da alle Gewerke zusammen sind. Mein Schwager ist Spezialist im Baumhausbau und hat sich jetzt eines mit WLAN zugelegt. Er gibt sein Wissen jederzeit weiter.

Opa war sein Leben lang Jurist, er hat Schwiegermutter neulich aus einer brenzligen Situation dank bester Drähte zur Justiz rausgehauen. Und weil der Bruder seinen total netten Freund aus Ghana geheiratet hat, ist auch die LGBT-Community bei uns fröhlich vertreten, was nach innen herzhafte Diskussionen beschert, uns nach außen aber irgendwie unangreifbar macht.

Von Schutzgeld und Menschenhandel lassen wir die Finger

Von einer gezielten Heiratspolitik möchten wir noch nicht reden, aber immerhin haben wir Julius zum Paten gemacht, der ein ausgezeichneter Tischler ist. Von Schutzgeld und Menschenhandel lassen wir die Finger, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz kommen vereinzelt vor. Was uns noch fehlt, ist ein Arzt, denn wir werden alle nicht jünger.

Das ist auch der Grund, weswegen Judith es für ein bissen besser hält, dass die biologische Familienplanung jetzt abgeschlossen ist. Weil sie aussieht wie 24, fiel es mir lange schwer, das zu akzeptieren. Ich bin deswegen sehr froh, inzwischen mit der Organisation der oben beschriebenen Vetternwirtschaft einen familiären Ersatz gefunden zu haben.

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