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Zweiter Frühling

Lektionen aus einer zerbrochenen Liebe: Ein persönlicher Ratgeber

Vor meiner erneuten Verlobung im „zarten“ Alter von 41 Jahren durfte ich die bittersüße Erfahrung machen, nochmals in die Dating-Welt einzutauchen. Bitter, weil eine neunjährige Ehe und insgesamt zehn Jahre Beziehung Bach ab gegangen sind, süß, weil ein Neuanfang mir viel Elan und Freude bescherte. 

Das klingt einfacher, als es war. Es ist schwer in Worte zu fassen, was mir bei der Scheidung widerfahren ist. Anfangs fühlte es sich an wie eine Beerdigung. Etwas stirbt. Der Gott, der das Leben erschuf, wollte so was bestimmt nicht für uns. Und doch passiert es nicht unhäufig unter denen, die sich als Seine Kinder berufen. Man rutscht nicht in der Ehe in eine Scheidung hinein, sie wird vor der Beziehung schon vorgezeichnet. In den Gedanken und Einstellungen eines Menschen. So wie der Mensch denkt, so lebt er. Und so war es bei mir nicht anders. 

Ein Ballast moderner Ideologie hatte sich trotz meiner christlichen Erziehung früh eingeschlichen. Die lockeren Ansichten verleiteten mich einerseits dazu, der Eheschließung nicht mit dem nötigen Ernst zu begegnen, und gaben mir andererseits keine solide Grundlage, um den Versuchungen einer Trennung standzuhalten. Ernüchternd musste ich feststellen, dass der Großteil des modern-feministischen Gedankenguts mir geschadet hat. Mit anderen Worten: Hätte ich richtig begonnen, wäre ich heute vermutlich nicht geschieden.

Auf der anderen Seite war ich geblendet. Ich dachte jemand anders geheiratet zu haben. In der Ehe kommt die Ernte der Samen hervor, die zuvor in die Eheleute hineingesät wurden. Das habe ich am eigenen Leib erlebt. Wer sich selbst nicht geraderückt, wird geradegerückt werden. Und nach demselben Maß, wie man richtet, wird man auch gerichtet werden, sagt schon die Bibel.

Beim Dating war ich logischerweise aber nicht mehr dieselbe Person wie in meiner ersten Dating-Phase. Single-Joyce 2025 ist jetzt christlich-konservativer als Single-Joyce 2013 – allein, weil ich aufgrund vieler Fehler mein gesamtes Glaubenskonzept neu überdenken musste.

Es erfüllt mich mit Demut, über meine Fehltritte zu schreiben, in der Hoffnung, den einen oder anderen trösten oder ermutigen zu können. Doch liegen mir meine Glaubensschwestern in meinem Alter besonders am Herzen, und ihnen sind diese Zeilen gewidmet.

Erste Lektion: Lieb’ dich selbst, sonst liebt dich keiner

In meiner ersten Ehe begnügte ich mich mit einem Glaubensbekenntnis meines Ex-Mannes und seiner Bereitschaft, sich protestantisch taufen zu lassen. Zudem fühlte ich mich bestärkt, dass er finanziell für sich sorgen konnte, einiges angespart hatte und somit für meine Traumhochzeit am Strand aufkam. Aufgrund meiner langjährigen Schilddrüsenerkrankung und dem passiven Umgang mit meiner Gesundheit war ich damals stark übergewichtig und empfand seine Liebesgesten als viel weitreichender, als ich es „verdient“ hatte. So blendete ich großzügig elementare Charakterdefizite aus, schraubte meine Erwartungen herunter, weil ich dachte, für eine „Dicke“ wie mich sei ich ganz gut gefahren. Immerhin konnte ich am Strand heiraten.

Und so begann eine schmerzvolle Reise, die mich zwang zu hinterfragen, ob ich Gottes Liebe wirklich verstanden hatte. Um es kurz zu machen: nein. Allein mein Umgang mit meiner Gesundheit zeigte, dass ich mich selbst nicht wertschätzte. Wenn man das nicht tut, kann man auch nicht erwarten, dass andere es tun. Noch schlimmer: Man strahlt aus, dass man sich nicht respektiert, und lädt das Umfeld förmlich dazu ein, schlecht mit einem umzugehen. So gerät man in einen Teufelskreis aus negativen Gefühlen, Bitterkeit und Versagen auf vielen Ebenen. Schon an dieser Erkenntnis gewann das Gebot Jesu „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ eine tiefere Bedeutung für mich.

Diese Abwärtsspirale führte dazu, dass ich Antworten in der Bibel suchte. Durch viele Anstöße aus Predigten und Büchern, Alltagsinspirationen und sogar hinweisende Nachtträume, wie sie Josef, Sohn Jakobs aus der Bibel, träumte, kam ich zu dem Schluss, dass mir eine grundlegende Dankbarkeit für das Leben fehlte. So begann ich, Gott endlich zu danken. Meine Ausstrahlung veränderte sich innerhalb weniger Wochen. Das war jedoch erst der Anfang. Es folgten Veränderungen im Alltag, mehr Disziplin, neue Freunde, beruflicher Fortschritt und deutlich mehr Respekt von meinem Umfeld – das alles nicht sofort, doch immerhin nach wenigen Jahren. Spätestens nach der Trennung war mir mehr als bewusst, dass ich zuerst an mir hätte arbeiten sollen, bevor ich heiratete.

Lopes 2015 (li.), ein suchendes Herz, 2024 (re.), die Reise hat gerade erst begonnen

Zweite Lektion: Ein Glaubensbekenntnis kann täuschen

Online kursieren zahlreiche Dating-Coaches und „Red-Flags“-Checklisten, die gerne auch von Kirchen und christlichen Influencern verbreitet werden. Darin stehen Dinge, auf die man achten sollte, um zu prüfen, ob der oder die Angebetete den Glauben in der jeweiligen Konfession richtig praktiziert. Es werden Aspekte wie Bibellesen, Kirchenbesuch, Problemlösung durch den Glauben bis hin zu „Wie geht er mit dem Kellner um?“ oder „Bezahlt er deine Rechnung?“ angesprochen. Die Ratschläge sind gut gemeint, doch leider gehen sie komplett an der Realität vorbei. 

Die wenigsten christlichen Singles gehen regelmäßig in den Gottesdienst, und die Verbreitung des Pornografiekonsums unterscheidet sich laut entsprechenden Untersuchungen bei Christen kaum von Nichtgläubigen. Männer, die nach 40 noch Single sind, haben sich selten mit innerer Heilung befasst; sonst hätte die Seelengenesung sie dazu motiviert, eine gesunde Beziehung aufzubauen. Es gibt wirklich nur wenige Ausnahmen.

Und bei den Frauen sieht es leider nicht besser aus. Beim Daten bin ich auf Zustände gestoßen, die ich nur in Comedy-Filmen für möglich gehalten hätte. Diese Checklisten auf Social Media sind so realistisch wie ein Influencer ohne Filter. Das Wort „Christ“ verkommt in diesem Zustand fast zu einem Witz.

Dritte Lektion: Im Fangnetz der Checklisten

Nehmen wir das Beispiel „Anna“. Sie ist 42, Sozialpädagogin, hat einen Masterabschluss, ist gut bezahlt und hübsch wie mit Instagram-Filter in echt. Sie wünscht sich einen Mann, der mehr verdient, mehr leistet und mindestens so gläubig ist wie sie. Klingt vernünftig, oder? 

Doch Anna ist Single – nicht, weil sie keine Angebote hätte. Nein, sie hat eine Checkliste, die länger ist als die Warteschlange bei der Beichte vor Ostern. Anna steht hier als fiktives Beispiel für Frauen, die ich selbst getroffen habe. Solche Frauen gibt es zuhauf. Nicht selten sind sie jungfräulich, was keine negative Eigenschaft ist. Doch: Wenn eine gläubige Jungfrau auf einen Pornokonsumenten trifft, ist der Kulturschock vielschichtig und vorhersehbar.

Das erwähne ich nicht, um sie schlechtzumachen, doch solche Frauen sind in eine gutgemeinte Falle christlicher Ratgeber geraten. Es ist ein sehr enges Korsett, aus dem sie es vielleicht nicht allein herausschaffen.

Plottwist: Ein nicht vermögender Mann, der integer ist, wird langfristig mehr Freude bringen als ein reicher, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt.

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Ich empfinde es als heuchlerisch, wenn man solche Checklisten herausgibt und die Christen dann allein damit lässt. Es hat nichts mit Nächstenliebe zu tun, wenn wir hohe Ansprüche anpreisen in einer Gesellschaft, die online sehr häufig nach Begriffen wie „Mental Health“ (geistige Gesundheit) sucht, weil sie ihnen schlicht fehlt. Die Welt ist nicht gesund. Wir werden unsere Ansprüche herunterschrauben – vernünftigerweise, ohne Selbstaufgabe –, Hilfsangebote entstigmatisieren und mit Demut vorangehen müssen, wenn wir wirklich nicht ewig Single bleiben wollen. 

Am besten nimmt man eine solche Checkliste zur Hand und fragt sich, ob man sie selbst erfüllt. Achtung, kein Selbstbetrug: Man sollte ehrliche Freunde um offenes Feedback bitten und fragen, was man an sich verbessern könnte. Wenn man diesen Mut aufbringt und den Willen findet, die Arbeit an sich selbst zu leisten, trifft man auf Menschen, die Ähnliches wollen. Und da fängt es an, Spaß zu machen, wenn man die ersten Erfolgserlebnisse hat. 

Das Schlimmste, was einem christlichen Paar passieren kann, ist, dass beide stagnieren und keiner mehr an sich arbeitet. Es ist möglich, auch nach vielen Fehlern ein „Täter des Wortes“ zu werden. Gerade lese ich ein Buch einer christlichen Neurologin, die eindrucksvoll beschreibt, wie unser Gehirn durch Neuroplastizität täglich erneuert wird und dass es möglich ist, alte Gewohnheiten loszuwerden. 

Wenn eine positive Einstellung zum Lebensstil wird, wird es immer unwahrscheinlicher, in einen negativen Alltagstrott zu verfallen. Es ist eine gute Sache, den Balken aus dem eigenen Auge zu entfernen, bevor man den Splitter im Auge des anderen sucht. Ich wünschte, ich hätte das viel früher erkannt. Deshalb bin ich so dankbar für Gottes Gnade in diesem Neuanfang.

Der Neuanfang

Als die Trennung und Scheidung durch war, war der Weg frei für eine neue Liebe. Ich wurde mit zahlreichen Angeboten überhäuft, als ich in den sozialen Medien meinen Namen zurück auf meinen Mädchennamen änderte. Es fühlte sich so an, als hätte ich einen Ausverkauf angekündigt: „Frau Lopes im Sonderangebot!“

Unmoralische Angebote hatten bei mir keine Chance. Ich beschloss, nur auf Kontakte einzugehen, die an einer ernsthaften Beziehung interessiert waren, und ließ mich von ihnen zum Essen oder Trinken einladen. Für einige Freundinnen war das bereits zu schnell. Korrekt in ihren Augen wäre es gewesen, zwei Jahre lang Single zu bleiben, ohne Dates, um innerlich zu heilen und nicht dieselben Fehler erneut zu machen.

Aber das klang unfassbar langweilig, irgendwie unrealistisch und mit meinem Charakter kaum umsetzbar. Ich bin ein sehr sozialer Mensch. Manchmal lasse ich mein Handy bewusst in einem anderen Zimmer, um die leuchtenden WhatsApp-Nachrichten ignorieren zu können.

Einsamkeit suche ich gezielt und muss sie mit Nachdruck umsetzen. Ich bin in Brasilien aufgewachsen, dort gibt es kein Alleinsein. Das habe ich erst in der Schweiz halbwegs gelernt. „Geht’s dir nicht gut?“ heißt es, wenn ich länger als 30 Minuten im Zimmer bleibe, sobald ich wieder im Land bin und meine Familie besuche. Dabei wollte ich mich nur kurz von den 50 Leuten zurückziehen, die in der Hitze kreuz und quer diskutieren.

Die Wende

Jetzt muss ich etwas konkreter werden. Innerhalb eines Jahres traf ich fünf Männer im Alter zwischen 38 und 54 Jahren. Ich nutzte keine Dating-Apps, weil ich ihnen nicht mehr wirklich traue. Als konservative Journalistin hatte ich auch Angst, auf ein Antifa-Mitglied zu stoßen, das mir auf einer solchen App einen Streich spielt. Daher beschränkte ich mich auf langjährige Kontakte aus meinen sozialen Netzwerken. 

Doch es gab einen Fehltritt nach dem anderen: Von Männern, die nicht duschten, über solche, die noch bei ihren Eltern wohnten und buchstäblich noch nie eine Beziehung hatten, bis hin zu schwer Cannabis- und Alkoholabhängigen war alles dabei. Und alle sahen sich selbst als intakt und konservativ.

Ich war sehr enttäuscht und legte eine Fastenwoche ein, um mein Leben erneut Gott zu widmen. Ich erklärte mich bereit, sogar ins Kloster zu gehen, falls es für mich keinen passenden Mann geben sollte. Was auch immer Sein Wille war, ich würde es so machen.

Dann begann ich durch eine einfache Diskussion auf X über das „Kochen beim ersten Date“ mit einem netten Herrn über das Thema zu sinnieren. Irgendwann verließen wir die öffentliche Diskussion und wechselten zu privaten Nachrichten. Später folgten Sprachnachrichten und schließlich Telefonate – einmal sogar für sechseinhalb Stunden. 

Beim ersten Treffen war ziemlich schnell klar, dass daraus mehr werden würde. Vom Aussehen, Alter, Musikstil, Politik und Glauben passte alles. Dieses „Match“ hätte ich weder mit einer App noch mit einer Online-Checkliste finden können. Für mich ist es ein Geschenk des Himmels, das ich direkt mit dem „Loslassen“ während der Fastenwoche verbinde. 

Ein schönes Wunderdetail ereignete sich noch: Im Februar 2025 kaufte ich Tickets für ein Konzert im Juni, von dem ich mir heimlich gewünscht hatte, es mit meinem zukünftigen Partner zu besuchen. Das mag vielleicht niemand glauben, aber das Konzert fiel auf den Geburtstag meines nun Verlobten, und die Band gehört seit seiner Jugend zu seinen Favoriten – etwas, das ich beim Kauf kaum erahnen konnte. Eine so schöne Bestätigung hätten wir uns nicht ausdenken können.

Lopes und ihr Verlobter genießen ein Konzert in Zürich, Juni 2025, umgeben von Musik und bunten Lichtern, an seinem Geburtstag

Vierte Lektion: Das Umfeld ist wichtiger als man denkt

Ich könnte meine Lektionen viel weiter ausführen, doch würde es den Rahmen sprengen. Ein Thema, das mir dennoch am Herzen liegt, und das ich auch versuche in der jetzigen Beziehung anzugehen, ist das Umfeld eines Paares.

Als zweifaches Scheidungskind hat man nicht verinnerlicht, wie Zusammenhalt funktioniert. Als Migrantenkind, das ohne Großfamilie im Ausland lebt, hat man zudem deutlich weniger Verwandte, an die man sich mit elementaren Fragen wenden kann. Selbst in der Kirche war es schwierig, Rat zu finden. Viele Kurse und Hilfsangebote sind eher darauf ausgelegt, Personen zu unterstützen, die aus intakten Familien kommen und „normal“ heiraten. Das merkt man erst, wenn man einen solchen Kurs besucht und eine krasse Familiengeschichte vorträgt. Die Kursleiter bemühen sich, verständnisvoll zu reagieren, doch man merkt, dass sie überfordert sind.

Die „guten“ Kinder einer Kirchengemeinde heiraten oft untereinander. Man möchte den wohlerzogenen Sohn nicht unbedingt einer Frau aus einer Patchwork-Familie anvertrauen. Hier sehe ich ein echtes Defizit unter Christen. Ich habe dazu auch keine Lösung parat, aber etwas mehr Offenheit unter Gläubigen könnte vieles vereinfachen.

Hinzu kam, dass wir sehr urban lebten. In der Stadt heiratete selten jemand aus meinem Umfeld. Oft waren mein Ex-Mann und ich die einzigen Verheirateten auf Geburtstagspartys oder allgemeinen Zusammenkünften. Es gab wenig Raum für den Austausch, den wir dringend benötigt hätten.

Es ist eine Illusion, eine Ehe ohne ein Umfeld zu führen, das die Ehe als Institution begrüßt. Um über Probleme zu reden, muss man sich mit dem Gegenüber identifizieren können. Ewige Singles oder stolze Geschiedene, die nie wieder heiraten wollen, sind schlechte Ratgeber für diejenigen, die es mit der Ehe ernst meinen. Kein passendes Umfeld zu finden verleitet dazu, sich zu verbiegen, um sich der Umgebung anzupassen.

Vom Gemeinsam geht man fließend ins Einsam über und unternimmt kaum noch etwas, bei dem man andere gleichgesinnte Paare trifft. Darunter leidet die Identität als Paar. 

Man muss nicht nur den Partner behutsam wählen, sondern auch das Umfeld gemeinsam gestalten, damit sich beide wohlfühlen.

Ich hätte es mir gewünscht, vieles von dem, was ich jetzt weiß, schon vor der Ehe intus zu haben. Es hätte mir vieles erspart. Trotzdem bin ich dankbar, den Weg neu gemeinsam gehen zu dürfen und wünsche allen, die sich eine neue Liebe wünschen, viel Erfolg und Gottes reichen Segen.

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