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Unerhörte Bitten

Mein Wille geschehe?

Vor einigen Wochen gab der Rektor der Gebetsstätte Marienfried, Georg Alois Oblinger, einen interessanten Einblick in eine Schwierigkeit seines Lebens; eine Schwierigkeit, die der Geistliche erst im Laufe der Zeit innerlich überwinden konnte. Unsere inneren Schwierigkeiten sind ja die viel hartnäckigeren als die äußeren, die wir je nachdem mit Kraft angehen oder mit Schläue umgehen können; mit den inneren ist es so einfach nicht. Interessant ist diese Begebenheit deshalb, weil sie auf etwas Größeres verweist, das allgemeine Gültigkeit besitzt.

Oblingers damaliger Bischof, Konrad Zdarsa von Augsburg, hatte ihm vor vielen Jahren untersagt, weiterhin in politisch „rechts“ angesiedelten Publikationen zu schreiben, berichtete Oblinger jetzt in einem Gastbeitrag in der Tagespost. Der damals noch jüngere Mann hatte anfangs an dem auferlegten Verdikt zu knabbern und tat sich „schwer mit dem Schreibverbot“. Gerne hätte er geschrieben zu diesem und jenem, allein, er durfte nicht mehr.

Auch habe er „lange nachdenken müssen, um den Sinn dieses Verbots zu verstehen“, teilte er mit. Hilfe kam ihm durch die Tugenden der Demut und des Gehorsams. Er machte sich bewusst, dass er den Gehorsam bei der Priesterweihe „nicht einer Zeitung oder irgendwelchen Journalisten versprochen“ hatte, „sondern dem Bischof und seinen Nachfolgern“.

Eine Tätigkeit verboten zu bekommen, die man ohnehin nicht gern gemacht hat – hier fällt Gehorsam nicht schwer. Verbieten Sie Ihren Kindern, das Kinderzimmer aufzuräumen – Sie haben nie so folgsame Kinder gehabt … Aber das Verbot einer Sache, der Sie gern nachgegangen sind – das wurmt und das kostet, wie jede Tugend. Oblinger weiter: „Natürlich tat ich mich zunächst schwer mit dem Schreibverbot durch meinen Bischof, aber heute bin ich dafür sehr dankbar. Bischof Konrad Zdarsa hat mich vor einem weiteren Abdriften nach rechts bewahrt.“

„Danke Gott, dass du mich nicht erhört hast“

Abgesehen davon, dass es sicher richtig ist, wenn kein Priester in irgendeine politische Richtung „driftet“, sondern, über Rechts und Links und über den Parteien stehend, sich fest ans Lehramt der Kirche hält – bzw. an Bibel und Bekenntnis für die Evangelischen –, geht es uns hier um die innere Verwandlung des Pfarrers Oblinger: Dessen eigener Wunsch wäre es gewesen, weiter seiner Neigung zu folgen und seinen Willen zu kriegen. Eine im Vertrauen auf Gott geübte Tugend erwies sich dann als Schutz vor einer Entwicklung, die für ihn nicht abzusehen war. Heute ist er froh, dass er nicht alles selbst hat besser wissen wollen, und ist dankbar, dass es so gekommen ist, wie es ist. Ein guter Ausgang, nicht wahr?

Seinen Willen nicht zu kriegen. Das kennt jeder auch in seinem eigenen Leben. Dass es ganz und vollständig anders kommt, als man es eigentlich gewollt hätte. Vergebliche Mühen, hinfällige Anstrengung, alles umsonst, es hat nichts genützt. Man hat nicht erreicht, was man wollte. Man kann sich auf den Kopf stellen: Es ist aussichtslos. Die gescheiterte Hoffnung.

Es berührt, wenn wir christgläubig sind, auch unser Gebetsleben. Viele werden das kennen: Da betet man um dieses und um jenes, aber es erfüllt sich einfach nicht. Gar nicht. Nicht nach einer Woche, nicht nach einem Monat, nicht nach zwölf Jahren. Diese Ausbildungsstelle, diesen Arbeitsplatz hat man nicht bekommen. Der Kranke ist doch gestorben. Ein Kind hat sich nicht eingestellt. Eine Beziehung hat sich nie heilen lassen. Einen Ehepartner hat man nicht gefunden. Die Firma musste doch in Konkurs gehen. Vor Gericht ist man verurteilt worden. Die Aktien steigen nicht wieder. Und dergleichen mehr.

Welchen Schluss soll man aus der Nichterhörung der Gebete ziehen? Hat man nicht intensiv, nicht regelmäßig genug gebetet? Ist mein Glaube zu gering, noch kleiner als ein Senfkorn? Habe ich Gott die Erfüllung in Wirklichkeit nicht zugetraut? Oder hört Gott mich nicht? Bin ich ihm nichts wert? Ist mein Anliegen für ihn zu nichtig?

Oder entspricht das, um was wir beten, nicht seinem Willen? Wie steht es eigentlich um meine Geduld? Wer ist Gott eigentlich für mich? Eine metaphysische Einrichtung zum Wünscheerfüllen? Wie halte ich es mit der Bitte im Vaterunser, „Dein Wille geschehe“? Bete ich nicht insgeheim darum: Herr, mach, dass mein Wille geschehe?

 

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Der Mensch denkt, und Gott lenkt, weiß der Volksmund. Der liebe Gott tut nichts als fügen, sagen fromme Leute. In Erinnerung kommt der Choral aus dem Elias, „Wirf dein Anliegen auf den Herrn, er wird dich versorgen“ und Paul Gerhardts „Gib dich zufrieden“.

Kürzlich war von einer mehr als ungewöhnlichen Votivtafel zu lesen, die ein Stifter in der Gnadenkapelle des bayerischen Wallfahrtsorts Altötting hat anbringen lassen. Unter den ursprünglich einmal 50.000 Votivtafeln mit Dankbekundungen für Gebetserhörungen ragt diese heraus: Jemand bekennt seinen Dank gegenüber Gott, „weil du mich 18 Jahre lang nicht erhört hast“.

Wie umgehen mit dem Scheitern?

Hier ist ein Weg gewiesen, wie man mit Scheitern und nicht erhörten Gebeten umgehen kann: Beten verändert in erster Linie den Beter. Die Dinge gehen, wie sie gehen, aber der eigene Umgang mit ihnen wird anders. Ein tieferes Verstehen stellt sich ein. War es nicht töricht, um was ich Gott gebeten hatte? Nach Monaten, nach Jahren, nach Jahrzehnten blickt man zurück auf eine schwierige Situation und denkt: Wie gut, dass es damals genauso gekommen ist! Auch wenn es furchtbar hart war, wenn man es erst überhaupt nicht hat annehmen können, wenn man es ganz anders hat haben wollen.

Den freien Platz auf der Anmeldeliste hat einem jemand weggeschnappt, und man wäre so gern mitgefahren. Doch während der Reisezeit stirbt plötzlich der Vater, und wäre man in der Ferne gewesen, hätte man nicht mal mehr am Leichnam Abschied nehmen können.

Ein Bewerbungsgespräch läuft angenehm und professionell, man verabschiedet sich mit einem guten Gefühl. Einige Tage später ein Brief: „… müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass …“ Die unerwartete Absage ist ein Schlag. Wochen später jedoch findet man eine viel bessere Anstellung unter viel günstigeren Umständen. Was ist man froh, dafür noch frei gewesen zu sein!

Eine vielgeliebte Freundin macht Schluss, und man weiß nicht wohin mit seinen Fragen. Das Leben geht weiter, das hat es so an sich. Nach Jahren erst ist man so weit, zu begreifen: Sie hat dich überhaupt nicht geliebt. Wie gut, dass damals so krass Schluss war.

Ein Student steht in den Abschlussprüfungen im Lehramt. Zwei Fächer sind Pflicht. Das eine Fach geht glatt durch. Beim andern rasselt der Kandidat auch durch die Wiederholungsprüfung. Schluss, aus, das war’s, in dem Fach wird er nie unterrichten dürfen. Die Hälfte des Studiums umsonst. Kleiner Mann, was nun? Nach einigen Jahren im Beruf: Alles hat sich sehr schön gefügt, der junge Lehrer hat Routine bekommen, Stundenzahl und Gehalt stimmen, es fehlt an nichts.

Nach ein paar Wochen Liebelei: schwanger! Schock! „Ich bekomm doch jetzt kein Kind, nicht jetzt und nicht von dem! Meine Pläne, mein Beruf! Alles in mir sagt nein!“ Alles…? Man googelt nach Abtreibung, heult Rotz und Wasser … Nach geraumer Zeit – die junge Mutter geht so zugewandt und aufmerksam mit ihrem Jungen um, dass es eine Freude ist, sie zu beobachten. Sie sagt: „Das schönste Geschenk, das ich jemals bekommen habe! Er war die Wendung in meinem Leben!“

Meckre nicht, sondern lobe

„Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser ...“ Das ist nicht nur ein Psalm König Davids aus grauer Vorzeit, er fasst die Erfahrung von Generationen. So ist das Leben, so ist Gott. Unvergleichlich viel größer als unser Wollen und Wünschen. Überblicken wir Menschen ein paar Wochen, ein Jahr und maximal unsere Lebensspanne – dabei können wir nicht sicher sein, ob wir morgen wieder aufwachen –, sieht Gott unsere Ewigkeit.

Und das andere? Keine fette Weide, kein frisches Wasser, nur finsteres Tal, ein Leben lang? Armut, Not, Einsamkeit, Krankheit, Verachtung, Leiden? Das ist bitter, sehr bitter, und eine Deutung darf nicht billig sein. Das Böse ist eine Realität.

Niemand Geringeres als der Herr allen Lebens selbst hat gezeigt, dass im Kreuz das Heil ist. Ohne Kreuz und Tod keine Auferstehung. Viel Kreuz, das kann sein: nahe bei Christus. Viel Leiden: das Leben Jesu mitleben. Das Leben Jesu: das ist Hochzeit zu Kanaa, und das ist Geißelung und Todesfolter. Der Knecht ist nicht über seinen Meister, spricht Christus.

Darum: Dreh die Perspektive um! Meckere nicht, sondern lobe! Fixiere dich nicht auf unerfüllte Bitten, auf Fehler, Kreuze, Scheitern. Danke Gott vielmehr für all das Verborgene, vor dem er dich in seiner Güte beschützt und bewahrt hat. Danke ihm, dass er deine Vorstellungen und Wünsche prüft und verwirft. Danke ihm, dass er dich führt und leitet nach seinem Ratschluss zu seinem Ziel. Tu, so viel an dir liegt, und empfehle alles immer Gott.

Ein Sprüchlein für alle

„Jesus, sorge du!“ Ein frommes Gebetssprüchlein, ja! Und bester Rat! Für alte Weiblein, die überall und zu allen Zeiten zum Inventar der Kirchen gehören. Genauso wie für den Mechaniker in der Autowerkstatt, die Hochschuldozentin im Mittelbau, den Offizier bei der Bundeswehr, die Hausfrau und Familienmutter, die Buchhalterin in der Rechnungsabteilung wie für den Ministerpräsidenten.

Paul Gerhardt konnte sein Gottvertrauen in einem Liedtext ausdrücken, der auf Psalm 37,5 zurückgeht:

Befiehl du deine Wege
und was dein Herze kränkt
der allertreusten Pflege
des, der den Himmel lenkt.
Der Wolken, Luft und Winden
gibt Wege, Lauf und Bahn,
der wird auch Wege finden,
da dein Fuß gehen kann.
 

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Kommentare

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Kommentar
1
Andreas Graf
Vor 2 Wochen 1 Tag

Jeder Mensch hat auf der Erde eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Für genau diese Aufgabe werden wir vom Göttlichen Handwerker geformt, geschmiedet und geschliffen. Das besondere daran ist, dass wir selbst diese unsere Aufgabe nicht kennen. Wir wissen nur, wir haben eine Aufgabe. Haben wir das erst einmal erkannt, beten wir, wir mögen diese uns zugedachte Aufgabe gut erfüllen. Dann können wir auch dankbar sein, dafür, dass wir Sein Werkzeug, Seine Hände sein dürfen. Über bischöfliche Anordnungen in heutiger Zeit darf man geteilter Meinung sein. Diese sind heute meist der Feigheit und dem Appeasement geschuldet. Aber auch bei einem solchen Fehlverhalten kann sich die Göttliche Vorsehung wunderbar bedienen. Es war vielleicht schlicht nicht Rektor Oblingers Aufgabe, in rechts-konservativen Publikationen zu veröffentlichen. Ist die Aufgabe als Rektor an einer Gebetsstätte für einen Priester nicht viel erfüllender? Maria wird gewiss eine Freude an ihm haben. Er musste dazu vielleicht erst in der Demut geformt werden.

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Harald Wellmann
Vor 2 Wochen 1 Tag

Man muss wohl katholisch sein, um diesem blinden Gehorsam einem Bischof gegenüber etwas abgewinnen zu können.

Mein Vorbild ist da eher der evangelische Pfarrer Martin Michaelis, der sich von seinen Kirchenoberen trotz beruflicher Nachteile den Mund nicht verbieten lässt.

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Christiane
Vor 1 Woche 2 Tage

Danke für den Artikel, sehr ermutigend!

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Dinah
Vor 2 Wochen 1 Tag

"Vergebliche Mühen..". Das Kernproblem dabei ist das "Mühen", wenn es den Menschen zum zwanghaften Verhalten verführt. Zwanghaftes ist nicht gut, aber der Mensch fängt dann an, sich nach Erlösung zu sehnen. Schlechtenfalls fängt er mit Kiffen an, bestenfalls kehrt er um zur Quelle seines Daseins. Die Lösung befreit immer und macht das Dasein leichter.

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Andreas Graf
Vor 2 Wochen 1 Tag

Jeder Mensch hat auf der Erde eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Für genau diese Aufgabe werden wir vom Göttlichen Handwerker geformt, geschmiedet und geschliffen. Das besondere daran ist, dass wir selbst diese unsere Aufgabe nicht kennen. Wir wissen nur, wir haben eine Aufgabe. Haben wir das erst einmal erkannt, beten wir, wir mögen diese uns zugedachte Aufgabe gut erfüllen. Dann können wir auch dankbar sein, dafür, dass wir Sein Werkzeug, Seine Hände sein dürfen. Über bischöfliche Anordnungen in heutiger Zeit darf man geteilter Meinung sein. Diese sind heute meist der Feigheit und dem Appeasement geschuldet. Aber auch bei einem solchen Fehlverhalten kann sich die Göttliche Vorsehung wunderbar bedienen. Es war vielleicht schlicht nicht Rektor Oblingers Aufgabe, in rechts-konservativen Publikationen zu veröffentlichen. Ist die Aufgabe als Rektor an einer Gebetsstätte für einen Priester nicht viel erfüllender? Maria wird gewiss eine Freude an ihm haben. Er musste dazu vielleicht erst in der Demut geformt werden.

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Harald Wellmann
Vor 2 Wochen 1 Tag

Man muss wohl katholisch sein, um diesem blinden Gehorsam einem Bischof gegenüber etwas abgewinnen zu können.

Mein Vorbild ist da eher der evangelische Pfarrer Martin Michaelis, der sich von seinen Kirchenoberen trotz beruflicher Nachteile den Mund nicht verbieten lässt.