Direkt zum Inhalt
Ein Leitfaden zur Weiblichkeit

Die verlorene Kunst, Frau zu sein

Es ist eine merkwürdige Beobachtung unserer Zeit: Während Frauen mehr Freiheiten und Rechte haben als je zuvor in der Geschichte, scheinen viele den Kontakt zu ihrem eigentlichen Wesen verloren zu haben. Die moderne Welt hat uns gelehrt, dass Weiblichkeit etwas ist, das es zu überwinden gilt – ein Relikt vergangener Zeiten, das uns in unserer Entwicklung hemmt. Stimmt das wirklich? Oder haben wir in unserem Bestreben, gleichberechtigt zu sein, etwas Wesentliches aus den Augen verloren? 

Die Statistiken sprechen eine deutliche Sprache. Eine Erhebung aus dem Jahr 2023 im Journal of Happiness Studies, einer wissenschaftlichen Zeitschrift aus den Niederlanden, zeigt, dass Frauen trotz ihrer gestiegenen finanziellen Unabhängigkeit heute unglücklicher sind als in den 1970er Jahren. Gleichzeitig belegen Untersuchungen der American Economic Association 2020, dass die Scheidungsrate bei Frauen, die ihre Karriere radikal priorisieren, deutlich höher liegt als bei denen, die eine Balance zwischen Beruf und Privatleben suchen.

Diese Zahlen werfen wichtige Fragen auf: Was genau haben wir aufgegeben, als wir begannen, uns von unserer weiblichen Natur zu distanzieren? Also davon, Schwäche und Emotionen zu zeigen, sowie hingebungsvoll, zärtlich und auch mal passiv zu sein? Und was wäre, wenn gerade diese vermeintlich altmodischen Eigenschaften der Schlüssel zu einem erfüllteren Leben wären?

Das moderne Dilemma der Weiblichkeit

Die feministischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts haben zweifellos Großes erreicht. Sie haben Frauen aus beengenden sozialen Strukturen befreit und uns Zugang zu Bildung, politischer Teilhabe und beruflicher Selbstverwirklichung verschafft. Doch irgendwo auf diesem Weg sind wir in eine neue Art von Falle getappt – die Falle, glauben zu müssen, dass wahre Gleichberechtigung nur durch die Hervorhebung unserer maskulinen Eigenschaften zu erreichen sei.

Simone de Beauvoirs berühmter Satz „Man wird nicht als Frau geboren, man wird dazu gemacht“ wurde zur Grundlage eines Denkens, das Weiblichkeit als reines soziales Konstrukt betrachtet. Judith Butler, eine US-amerikanische Philosophin und bekannte Gender-Theoretikerin, geht mit ihren Theorien zur Performativität des Geschlechts noch weiter und suggeriert, dass Geschlecht vollständig frei wählbar und veränderbar sei. Diese Ideen haben zweifellos wichtige Diskussionen angestoßen, aber sie haben auch zu einer tiefen Verunsicherung darüber geführt, was es eigentlich bedeutet, Frau zu sein.

In unserem Bestreben, uns von traditionellen Rollenbildern zu befreien, haben viele von uns begonnen, nicht nur die Einschränkungen, sondern gleich die ganze Weiblichkeit über Bord zu werfen. Wir haben gelernt, unsere Sanftmut als Schwäche zu betrachten, unsere Fürsorglichkeit als Unterwerfung und unsere Emotionalität als Unzulänglichkeit. Das Ergebnis ist eine Generation von Frauen, die zwar beruflich erfolgreich sind, aber oft ein diffuses Gefühl der Leere und Entfremdung von sich selbst verspüren.

Die psychologischen Kosten der Vermännlichung

Die Entscheidung, weibliche Eigenschaften abzulegen, hat tiefgreifende psychologische Auswirkungen, die oft verdrängt werden. Die Evolutionspsychologie zeigt, dass Männer sich instinktiv zu femininen Frauen hingezogen fühlen – nicht, weil sie schwache Partnerinnen suchen, sondern weil diese Eigenschaften Gesundheit, Fruchtbarkeit und soziale Kompetenz signalisieren. Interessanterweise gilt dies umgekehrt genauso: Laut einer Studie auf Sage Journals, einer Datenbank für wissenschaftliche Artikel, bevorzugen Frauen in wirtschaftlich unsicheren Zeiten Männer mit feminineren Gesichtszügen, was auf ein universelles Bedürfnis nach Fürsorge und emotionaler Verfügbarkeit hindeutet. 

Doch die Probleme gehen weit über Partnerschaftsfragen hinaus. Das „Female Happiness Paradox“ beschreibt das Phänomen, dass Frauen trotz aller gesellschaftlichen Fortschritte in Sachen Gleichberechtigung heute niedrigere Zufriedenheitswerte aufweisen als vor fünfzig Jahren. Die Gründe hierfür sind komplex, aber ein wesentlicher Faktor scheint zu sein, dass viele Frauen sich in einem permanenten Zustand der Selbstverleugnung befinden – sie unterdrücken ihre natürlichen Neigungen und Bedürfnisse, um den Anforderungen einer männlich geprägten Arbeitswelt gerecht zu werden.

Die Folgen sind erschreckend: Höhere Raten an Depressionen, Angststörungen und Burnout bei Frauen, wie zahlreiche psychologische Studien belegen. Es ist, als hätten wir in unserem Kampf für Gleichberechtigung vergessen, dass wahre Emanzipation nicht darin bestehen kann, uns selbst aufzugeben.

Die ökonomische Realität und ihre Auswirkungen

Natürlich wäre es zu einfach, diese Entwicklung allein auf ideologische Faktoren zurückzuführen. Die ökonomischen Rahmenbedingungen spielen eine mindestens ebenso wichtige Rolle. In einer Zeit, in der ein Gehalt oft nicht mehr ausreicht, um eine Familie zu ernähren, haben viele Frauen gar keine andere Wahl, als Vollzeit zu arbeiten – unabhängig davon, ob dies ihren eigentlichen Neigungen entspricht oder nicht.

Eine im Jahr 2024 publizierte Untersuchung der Internationalen Hochschule (IU) zeigt, dass Kinderkriegen nach wie vor stärkere Auswirkungen auf die Karriere von Frauen hat als auf die von Männern. Mehr als dreimal so viele Frauen wie Männer geben an, ihre Führungsverantwortung wegen der Geburt eines Kindes aufgegeben zu haben. Diese Zahlen verdeutlichen das Dilemma moderner Frauen: Sie stehen unter dem Druck, sowohl im Beruf erfolgreich zu sein als auch familiäre Verantwortung zu übernehmen – eine Doppelbelastung, die viele an den Rand ihrer Kräfte bringt.

Hinzu kommt eine tiefsitzende Angst vor Abhängigkeit. In einer Welt, in der vier von zehn Ehen geschieden werden, erscheint es vielen Frauen riskant, sich finanziell auf einen Partner zu verlassen. Das Ergebnis ist ein Teufelskreis: Frauen arbeiten, um unabhängig zu bleiben, was zu Spannungen in der Partnerschaft führen kann, was wiederum die Angst vor Scheidung und die Notwendigkeit finanzieller Unabhängigkeit verstärkt.

Weiblichkeit neu definieren: Ein Weg zurück zu uns selbst

Angesichts dieser komplexen Problemlage stellt sich die Frage: Gibt es einen Weg aus diesem Dilemma? Können wir die Vorteile moderner Gleichberechtigung bewahren, ohne unsere weibliche Natur zu verleugnen?

Die Antwort liegt vielleicht in einer neuen, differenzierteren Betrachtungsweise von Weiblichkeit – einer Sichtweise, die es erlaubt, weibliche Qualitäten nicht als Hindernis, sondern als Bereicherung zu begreifen. Es geht nicht darum, in überholte Rollenmuster zurückzufallen, sondern darum, unsere authentischen Bedürfnisse und Fähigkeiten wiederzuentdecken und wertzuschätzen.

> Abonnieren Sie den Corrigenda-Newsletter und erhalten Sie einmal wöchentlich die relevantesten Recherchen und Meinungsbeiträge

Ein erster wichtiger Schritt besteht darin, die Vorstellung aufzugeben, dass bestimmte Eigenschaften per se „männlich“ oder „weiblich“ seien. Sanftmut muss keine Schwäche sein – im Gegenteil, sie kann eine große Stärke darstellen, wenn sie bewusst eingesetzt wird. Ebenso ist Emotionalität kein Makel, sondern eine Form der Intelligenz, die es uns ermöglicht, komplexe soziale Situationen besser zu verstehen und zu navigieren.

Ein zweiter Schritt besteht darin, die Balance zwischen verschiedenen Lebensbereichen bewusster zu gestalten. Das bedeutet nicht, alles perfekt machen zu müssen, sondern Prioritäten zu setzen und sich von dem unrealistischen Ideal der „Superfrau“ zu verabschieden, die beruflich erfolgreich ist, eine perfekte Mutter und Partnerin – und dabei auch noch topgestylt und durchtrainiert.

Glück ist Liebe, nichts anderes. Um lieben zu können, muss man aber auch sich selbst und die Weiblichkeit annehmen

Praktische Schritte zu einem erfüllteren Frausein

Wie könnte ein solcher Weg der Rückbesinnung in der Praxis aussehen? Hier einige konkrete Ansätze:

  1. Selbstreflexion: Nimm dir regelmäßig Zeit, um innezuhalten und zu überprüfen, ob dein aktuelles Leben wirklich deinen eigenen Bedürfnissen und Werten entspricht – und nicht nur den Erwartungen anderer. Scheue dich nicht davor, um Hilfe zu bitten, wenn es denn nötig ist. Es ist voll okay zu akzeptieren, dass wir in vielen Bereichen das schwächere Geschlecht sind. Eine Frau wird nie das gleiche Gewicht heben können wie ein Mann und entsprechend mehr Hilfe bei z. B. einem Umzug benötigen. Das Gute: In vielen Bereichen sind wir auch deutlich das stärkere Geschlecht. Wir haben im Schnitt ein stärkeres Immunsystem, eine längere Lebenserwartung und unsere Einzigartigkeit: Wir können einen neuen Menschen auf die Welt bringen. Das kann uns keiner nachmachen. 
     
  2. Achtsamkeit für weibliche Zyklen: Unser Körper folgt natürlichen Rhythmen, die in der modernen Arbeitswelt ignoriert werden. Der 8-Stunden-Arbeitstag ist einzig am männlichen Körper orientiert. Der männliche Rhythmus ist der 24-Stunden-Zyklus der Sonne. Seine Belastbarkeit und sein Wohlbefinden sind damit, rein hormonell betrachtet, täglich gleich. Der weibliche Rhythmus hingegen ist der 28-Tage-Zyklus des Mondes. Östrogen und Progesteron steigen und fallen auf einer längeren Zeitskala, zuzüglich der Komplexität der Menstruation. Damit ist frau mal mehrere Tage am Stück sehr belastbar und mehrere Tage eher kraftlos. Das bewusste Wahrnehmen dieser Zyklen kann helfen, besser mit unseren Energiereserven umzugehen.  
     
  3. Neudefinition von Erfolg: Erfolg muss nicht immer linear und ausschließlich beruflich definiert sein. Auch Beziehungsqualität, persönliches Wachstum und seelisches Wohlbefinden sind wichtige Erfolgskriterien. Die Frau ist vor allem ein visuelles Wesen. Für sich selbst und für den Mann. Viele Frauen, die nicht auf ihr Äußeres achten, machen sich über „TikTok“-Schickeria und die Crypto-Ladies in Dubai lustig. Dabei sind diese Damen auch erfolgreich, denn die Wahrheit ist: Jede Frau möchte sich nicht nur schön fühlen, sondern auch schön sein. Versuch dieses Ziel zu erreichen. Es geht nicht um eine künstliche Oberweite oder aufgefüllte Lippen, sondern darum, dass du dein Aussehen wahrhaftig so liebst, wie es ist, und das geht, indem du es pflegst. 
     
  4. Pflege weiblicher Gemeinschaft: Die Arbeitswelt verlangt Frauen männliche Eigenschaften ab: Durchhalten, liefern, Gas geben. Sonst hinken wir hinterher. Daher ist der Austausch mit anderen Frauen – jenseits von Konkurrenzdenken – eine wertvolle Ressource, um sich selbst besser zu verstehen und zu akzeptieren. Auch, wenn man nicht gerne in einer rein weiblichen Runde ist, ist es trotzdem eine Art emotionale Fitness. Es muss nicht oft sein. Einmal im Monat oder alle paar Monate ein Ladies-Abend stärkt und erdet. 
     
  5. Partnerschaftliche Arbeitsteilung: Anstatt alles allein schultern zu wollen, lohnt es sich, mit dem Partner neue Modelle der Aufgabenverteilung zu entwickeln, die den Bedürfnissen beider gerecht werden. Natürlich, und das ist der Haken, braucht es dafür einen Partner, der nicht nur verstehen, sondern sich auch durch Sprechen ausdrücken kann. Einer, der sich seiner Rolle, der Rolle der Frau und – das Wichtigste – der modernen Zustände bewusst ist und diese in seiner Rolle akzeptiert. 

Spätestens an diesem Punkt wird klar: Frau und Mann können nicht ohne einander.

Folgen Sie uns schon auf Instagram oder LinkedIn?

37
4

8
Kommentare

Kommentare