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Kolumne „Ein bisschen besser“

Warum uns Einsamkeit nicht glücklich macht

Als ich neulich von der KI wissen wollte, ob es besser ist, als Eremit oder im Rudel zu leben, antwortete sie: „Der Eremit ist sowohl als Person als auch als Käfer ein Begriff, der sich auf abgeschiedenes Leben bezieht. Der Eremit als Mensch zieht sich von der Gesellschaft zurück, während der Eremit als Käfer (Osmoderma eremita) in Baumhöhlen lebt“.

Meine Frau Judith und ich geben zu, dass wir manchmal diese Baumhöhlen-Phase haben. Wir reisen dann nachts in unserem schweren Wagen über die Alpenpässe, bis dahinter der Süden anbricht. Wir verschwinden hinter den hohen Hecken und dicken Mauern unseres alten Palazzos. Im Winter heizen wir den steinernen Kamin mit dem harten Holz der Thuja, die wir gefällt haben, als wir zum ersten Mal hierherkamen.

„Was soll all der Tand des Lebens?“

Draußen prasseln die Unwetter nieder. Im Sommer schaukeln wir im Schutz der Palmen in der Hängematte. „Ja“, sage ich zu Judith dann, „was soll all der Tand des Lebens?“ Sie nickt und fügt hinzu, dass allenfalls ein Gläschen Wein nicht von schlechten Eltern wäre.

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Doch dann – husch, wie die Kakerlake, wenn das Licht angeht – verschwindet das Gefühl. Die Stimmung schlägt um, und die Einsamkeit wummert wie der Fahrtwind ins Auto, wenn nur ein einziges Fenster geöffnet ist.

Wo Menschen in der Abendsonne übers Leben reden

Wir beide wissen, dass es jetzt auf der Stelle ein bisschen besser ist, den Berg hinunter zum nächsten Städtchen am See zu brausen. Dorthin, wo die kurzen Wellen seufzend im Sand ausrollen. Dorthin, wo sich die Menschen in der Abendsonne verabreden. Wo Hunderte auf den von der Sonne des Tages gewärmten Steinen sitzen und übers Leben reden. Wo Gelächter in der Luft liegt, Eiswürfel in Gläsern klirren und die Kiffe kreist. Dorthin, wo alle zusammen sind und keine KI jemals reichen wird.

„Der Mensch ist doch ein Rudeltier“ stelle ich fest. „Unter einem Rudel wird eine geschlossene Gruppe von Säugetieren verstanden“, mischt sich die KI ein. „Die Mitglieder dieser Gruppe kennen sich untereinander und können nicht beliebig ausgetauscht werden.“ „Jedenfalls würde ich dich nicht beliebig austauschen“, sagt Judith zu mir, was mich ganz froh stimmt.

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