Endlich 30 Stunden Ferien

Judith sagt: „Luxusyachten sind Quatsch.“ Wir lümmeln am Strand neben Portofino. Eine Yacht, die „Skyfall“ heißt und auf deren Bug wir sich räkelnde Bond-Girls sehen könnten, wenn ich nicht mein Fernglas vergessen hätte, liegt draußen auf dem blauen Meer vor Anker und verstellt die Sicht zum Horizont. Wir machen 30 Stunden Ferien ohne alle. Die Sonne lacht trocken herab.
Das alte Hotel, in dem Judith für eine Nacht das Gartenzimmer bekommen hat, grüßt hinter uns von der Via Aurelia. Seine Möbel sind mit lila Samt und grünem Velours bezogen, das Parkett knarrt, es riecht innen nach Putzmittel und vergangener Herrschaftlichkeit.
Eine Brise Mittelmeer und am Strand servierte Pasta
Wir haben uns heute für sündhaft teures Geld zwei Liegestühle und einen Sonnenschirm an einem abgesperrten Stück Strand gemietet, die Kleider ans Schirmgerippe gehängt. Die weniger Betuchten liegen auf ihren Handtüchern außerhalb unseres Reichs, wir schauen mitleidig hinüber, wie ihnen der Sand am verschwitzten Körper klebt. Judith sagt, sie habe das noch nie gemacht, aber ein schlechtes Gewissen habe sie heute deswegen nun auch nicht.
Stattdessen studieren wir die Tafel vor den Umkleidekabinen, die aussehen wie die Unterkünfte für Wachsoldaten vor dem Buckingham-Palast. Wir beratschlagen, ob wir weißen oder rosafarbenen Wein zu den Meeresfrüchten trinken sollen, die der Bagni-Besitzer mit einer selbstgemachten Pasta direkt am Strand serviert.
› Abonnieren Sie den Corrigenda-Newsletter und erhalten Sie einmal wöchentlich die relevantesten Recherchen und Meinungsbeiträge
Eine Brise Mittelmeer weht uns um die Nase, vermischt mit dem leichten Ölgeruch der vielen Außenbordmotoren, die irgendwo übers Wasser brummen. Zwischen halbgeschlossenen Augenlidern beobachte ich den Bademeister, der den bequemsten Stuhl in der ersten Reihe am Wasser hat. Es ist ein Älterer mit ausgewaschenem T-Shirt und der faltigen Haut einer Echse, den pünktlich um die Mittagszeit ein Jüngerer ablöst.
Möglicherweise sollte ich mich auf Halbtags-Bademeister in Ligurien umschulen lassen, überlege ich noch, während ich mit der linken Hand, die vom Liegestuhl baumelt, im warmen Sand wühle, bevor mich ein kleines Schläfchen übermannt.
Die Sicht wird frei zu neuen Ufern
Wenn ich wüsste, dass es einen letzten Tag gibt, wäre es ein bisschen besser, ich würde ihn so verleben: Das Hemd geöffnet bis zum Bauchnabel, das graue Brustfell in die Sonne gestreckt, das Handy hat sich wegen Überhitzung ausgeschaltet, die Uhr liegt unerreichbar ganz unten im ausgezogenen Schuh, zwischen die Seiten des Buches ist Sand gerieselt und hat es anschwellen lassen. Mensch, du hast genug geschafft, wäre mein letzter Gedanke, und vielleicht würde ich Judith noch höflich bitten, nicht zwischen der Sonne und mir zu stehen.
Doch dann wummern zwei Motoren, „Skyfall“ lichtet den Anker, am Heck schäumt die Gischt und die Sicht wird frei zu neuen Ufern. „Schluss mit dem Quatsch“, rufe ich und platsche mit Judith ins Wasser, dass es nur so spritzt.
Kommentare