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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Wenn die Hautfarbe des Täters nur auf der persönlichen Wahrnehmung beruht

Die drei Affen kennt fast jeder. Der eine mag nichts sehen, der andere nichts hören, der dritte nichts sagen. Schön aufgereiht symbolisieren sie mit den Händen auf Augen, Ohren und Mund die Infantilisierung der Gesellschaft, die mittlerweile nach dem Motto lebt: Wenn ich nicht hinschaue und gleichzeitig so laut singe, dass ich nichts höre, dann geschieht bestimmt nichts Schlimmes.

Es ist das, was ein Kleinkind tut. Mit dem Unterschied, dass dieses früher oder später eine wichtige Lektion lernt: Das Ignorieren von Ereignissen ändert nichts daran, dass sie gerade stattfinden. Und eine schlechte Botschaft lässt sich vielleicht eine Weile ausblenden, aber irgendwann trifft sie einen eben doch.

Eine Hautfarbe ist „nicht objektiv“?

Derzeit lebt das Schweizer Bundesamt für Polizei Fedpol das Prinzip der drei Affen. Es hat entschieden, im landesweiten Fahndungssystem die Hautfarbe als Erkennungsmerkmal zu streichen. Ob Banküberfall oder Amoklauf: Die Polizisten, die einen Täter auf der Flucht erwischen sollen, dürfen nicht mehr darüber informiert werden, ob der Gesuchte weiß, etwas dunkler oder schwarz ist.

Die offizielle Begründung: Die Hautfarbe sei kein „objektiviertes Erkennungsmerkmal“. Dieser Teil der Erscheinung sei nur eine subjektive Wahrnehmung. Seither frage ich mich, ob der Kaffee in der Tasse vor mir wirklich schwarz ist oder ob das nur mein Eindruck ist und ein anderer Betrachter das ganz anders sehen würde. Auch Malermeister dürften es mit großem Interesse zur Kenntnis nehmen, dass Farben subjektiv sind. Wenn der Kunde Rot will, muss er dann vielleicht doch zu Blau greifen? Oder eher zu Pink?

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Natürlich ist diese Begründung der Fedpol nur vorgeschoben. Sie wollte, wohl unter dem Druck der in der Schweizer Politik übermächtigen und dem Zeitgeist hörigen Verwaltung, ganz einfach politisch korrekt agieren. Die Entscheidung dürfte in Zusammenhang stehen mit der immer wieder geäußerten Kritik am sogenannten Racial Profiling.

Erschwernis für Ermittler durch fehlende Angaben

Darunter versteht man es, wenn Polizisten bei Zufallskontrollen an neuralgischen Standorten gezielt mehr Menschen mit einer bestimmten Hautfarbe unter die Lupe nehmen. Da treffe es Dunkelhäutige viel öfter als Weiße, so der Vorwurf. Nur geht es beim Fahndungssystem nicht um Prävention, sondern um Angaben zu einer Person nach bereits erfolgter Tat. Da sind Polizisten auf möglichst exakte und vor allem möglichst viele Informationen angewiesen. Nimmt man sie ihnen weg, wird ihre Arbeit noch schwieriger.

Entsprechend groß ist das Unverständnis bei den Ermittlungsbehörden, denen ein wichtiges Erkennungsmerkmal entzogen wird. Wenig Abhilfe schaffen dürften auch die Alternativen, welche die Bundespolizei vorschlägt. Man solle eben statt der Nennung der Hautfarbe auf Umschreibungen setzen wie „arabisch“ oder „vom Balkan stammend“.

Als wären diese Einschätzungen weniger subjektiv. Mehr noch: Sie sind hochgradig zufällig und, wenn man schon politisch korrekt sein möchte, sehr viel problematischer, weil da Leute auf einen flüchtigen Eindruck hin einem bestimmten Kulturkreis zugeordnet werden.

Ohne besondere Kennzeichen: Gesucht wird ein Mensch

Und überhaupt: Wenn schon Wahnsinn, dann bitte richtig. Der Hinweis auf eine Halbglatze oder eine Brille dürfte ebenfalls nicht mehr in einem Fahndungsaufruf erscheinen, denn der Täter hat sich sein Schicksal nicht selbst ausgesucht und hätte vielleicht gern eine sprießende Mähne und einen Adlerblick. Solche Einschränkungen zu nennen, ist im höchsten Maß diskriminierend. Dasselbe gilt für Untergröße und Übergewicht. Und überhaupt für jede Erwähnung körperlicher Merkmale. Vom Geschlecht ganz zu schweigen, denn dieses ist bekanntlich nur ein soziales Konstrukt und darf nicht einfach angenommen werden.

Was da an Informationen für eine Fahndung übrig bleibt, ist reichlich dürftig. Gesucht wird: ein Mensch – viel mehr kann man im Grunde nicht sagen, ohne jemandem auf den Schlips zu treten. Wobei vielleicht sogar das schon zu viel ist.  Es soll schließlich auch Leute geben, die sich als Hund oder Kreuzfahrtschiff identifizieren.

Die Arbeit der Polizei wird schwieriger, das Leben von Kriminellen etwas entspannter. Das kann kaum die Absicht der Bundespolizei gewesen sein. Aber was zählt, ist nicht das Resultat, sondern der Weg dorthin. Und der wurde befreit von allem, was jemand als anstößig wahrnehmen könnte. Mission erfüllt.

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