Rassismus am Schwimmbecken?

Die aktuelle Badesaison in der Schweiz ist, den Ankündigungen eines mörderischen Hitzesommers zum Trotz, noch nicht sehr alt. Dennoch mussten die Betreiber einer Badeanstalt in der Gemeinde Pruntrut im Kanton Jura nahe Frankreich bereits die Notbremse ziehen. Und diese Maßnahme ist derzeit das Thema Nummer 1 im Land.
Seit einigen Tagen erhalten nur noch Personen mit der Schweizer Staatsbürgerschaft Einlass. Touristen, die in der Region gastieren, können eine Zutrittskarte beantragen, und eine Ausnahmeregelung existiert für Grenzgänger aus Frankreich, die in der Schweiz arbeiten.
Eine Willkommenskultur basierend auf dem Reisepass: Das klingt nach „Ausländer raus“ und triggert entsprechend viele Kommentatoren. Die Einschränkung wird auf einfache Formeln heruntergebrochen, die auf den ersten Blick nicht sonderlich appetitlich erscheinen. Sogar außerhalb der Schweiz sorgte die Entscheidung für Schlagzeilen: „Schweizer Freibad verweigert Ausländern den Eintritt“, titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Der Vorwurf des Rassismus muss da gar nicht wörtlich erhoben werden, um mitzuschwingen.
Importierte Vorfälle
Dass es ausschließlich Ausländer trifft, steht im Zentrum der meisten Berichte. Nur am Rande und kurz und knapp ist die Rede von den Beweggründen der Gemeinde. Seit das Freibad in diesem Jahr geöffnet wurde, mussten bereits über 20 Personen aus diesem verwiesen werden. Das geschieht üblicherweise nicht, nur weil man schnell mal trotz Verbotstafel vom Beckenrand in den Pool hüpft. Es braucht etwas mehr. Was es ist, wird in vielen Medien aber nur sehr verklausuliert beschrieben. Fragt man nach, erfährt man es konkreter: Die Rede ist von Belästigungen gegenüber jungen Frauen und gewalttätigem Verhalten, gegen das auch Ermahnungen nichts geholfen hätten.
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Diese Art Vorfälle häuften sich in diesem Jahr, und der Ursprung der Entwicklung ließ sich schnell eruieren. Es waren nicht ausschließlich, aber in überwiegender Mehrheit Besucher aus dem nahen Frankreich, die durch die Missachtung von Regeln auffielen. Erschwerender Faktor war wohl der Umstand, dass eine Badeanlage im Nachbarland, 20 Minuten entfernt, derzeit geschlossen ist. Der Badetourismus über die Grenze führte zu einer Verrohung der Sitten, denen man in Pruntrut nicht länger zusehen wollte und konnte.
Schutz der eigenen Bürger
Natürlich prüften Anti-Rassismus-Experten umgehend, ob sich hier ein Wirkungsfeld für sie auftun könnte. Da die Nationalität nicht vom entsprechenden Paragrafen geschützt wird, ist das schwerlich möglich. Diskriminierung, die gegen die Schweizer Verfassung sprechen würde, wäre ein anderer potenzieller Straftatbestand. Man darf davon ausgehen, dass die eine oder andere Aktivistengruppe bereits juristische Optionen auslotet, gegen die Einschränkung anzugehen.
Was solche Debatten ausblenden: Was hätte man sonst tun sollen? So wenig elegant es wirken mag, ausländische Staatsbürger aufgrund einiger Missetäter von einer Leistung generell auszuschließen, so macht es doch Sinn. Das öffentliche Freibad wird finanziert von Steuerzahlern, also den Menschen vor Ort. Müssen diese wirklich den – im doppelten Wortsinn – grenzüberschreitenden Aufenthalt anderer finanzieren, die dann den Einheimischen den Badespaß vergällen?
Der Schritt der Behörden der Gemeinde im Kanton Jura ist bemerkenswert, weil er so gar nicht dem sonst üblichen Verhalten offizieller Stellen entspricht. Die Menschen direkt vor Ort zu schützen, indem man zu einer Maßnahme greift, bei welcher der Aufschrei programmiert ist: Das erfordert Mut.
Oft machen es sich lokale Politiker und Amtsstellen denkbar einfach, indem sie vor dem Durchgreifen zurückschrecken und auf schwammige Vorgaben verweisen, die ihnen angeblich die Hände binden. Zu groß ist die Gefahr, medial unter die Räder zu kommen. Da ist vorauseilender Gehorsam gegenüber dem Zeitgeist bequemer. Aber Opfer zeitigt auch diese vornehme Zurückhaltung. Auf der Strecke bleiben die eigenen Bürger, die sich still vom Angebot fernhalten, das sie selbst erst ermöglicht haben.
Vielleicht schaut der eine oder andere Freibad-Betreiber im von solchen Vorfällen geplagten Deutschland nun neidisch in die Schweiz. Aber das Konzept lässt sich wohl nicht einfach übertragen. Denn bei unseren nördlichen Nachbarn ist wegen einer rasanten Einbürgerungspolitik die Staatsbürgerschaft längst kein Gradmesser mehr.
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