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Kinderwunschmesse „Wish for a Baby“

Guten Tag, möchten Sie ein Kind kaufen?

Die Sartory-Säle am Friesenplatz in Köln – den Hauptsaal schmücken Kronleuchter und Holzvertäfelungen aus Rosenholz – sind eine sehr schöne Location für eine Messe. Besonders für eine Kinderwunschmesse, denn bei einer solchen Veranstaltung möchten sich die Besucher wohlfühlen. Es ist schließlich ein emotionales Thema, bei dem es um tiefe Sehnsüchte geht. Viele Paare wünschen sich jahrelang ein Kind und lassen nichts unversucht, um endlich ihr Baby in den Armen zu halten. Doch was ist, wenn die Messeaussteller für etwas werben, was in Deutschland nicht legal ist?

Corrigenda hatte berichtet, wie es selbst deutsche Paare schaffen, sich den Wunsch nach einem Kind über Leihmutterschaft zu erfüllen. Denn bei Leihmutterschaft handelt es sich um ein Milliardengeschäft, das über globale Netzwerke funktioniert und so landesspezifische Verbote gekonnt umgeht, die Mütter und Kinder, geborene wie ungeborene, schützen sollen. Doch ohne Werbung gibt es weniger Kunden. Daher ist es von großer Relevanz, ob für Leihmutterschaft geworben wird oder nicht.

Leihmutterschaft ist in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz (ESchG) verboten, die Werbung dafür auch. Und trotzdem wird Leihmutterschaft auf der Messe „Wish for a Baby“ in Köln und Berlin beworben. Wie kann das sein?

Die Stadt Köln hatte auf eine Corrigenda-Anfrage geantwortet, dass dem Ordnungsamt auf der Messe „Wish for a Baby“ weder in den vergangenen Jahren noch auf der Diesjährigen am Wochenende vom 17. Oktober Verstöße gegen die Auflage bekannt wurden, nicht aktiv für Leihmutterschaft zu werben. Doch die Liste der Aussteller, die auf der Homepage der Messe vermerkt sind, lässt bereits vor einem Messebesuch mögliche Verstöße gegen die Auflagen erahnen. Denn viele Aussteller führen das Wort „Leihmutterschaft“ bereits im Namen. Zusätzlich wird schon auf der Homepage der Messe darauf hingewiesen, dass sich die Messe an Paare richtet, die über eine Leihmutterschaft nachdenken.

Werbung an den Messeständen und in Broschüren: Nur potenzielle Kunden sind interessant

Bereits am Eingang der Sartory-Säle werden die Besucher streng kontrolliert und müssen ihre Taschen öffnen. Der erste Eindruck ist nach dem Einlassprozedere dafür recht angenehm. Familien schlendern durch die Gänge, unbeschwert herumtollende Kinder mit Luftballons.

Wer Lust hat, kann es sich an der Bar gemütlich machen und einen Cappuccino bestellen. Es ist eine friedliche Atmosphäre. Sofort fällt ins Auge: Viele homosexuelle Pärchen flanieren zwischen den Ständen. Das ist nicht erstaunlich, denn das ist eine sehr große Zielgruppe für Anbieter von Kinderwunschkliniken.

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Nähert man sich den einzelnen Messeständen, dann wird sehr schnell klar: Die Werbung für Leihmutterschaft gab es nicht nur auf der Homepage der Messe.

Informationsbroschüren der Kinderwunschkliniken liegen reichlich auf allen Tischen, auch abseits der Messestände. Sehr viele werben nicht nur für Kinderwunschcoaching, sondern auch für künstliche Befruchtung, Leihmutterschaft, Präimplantationsdiagnostik und weitere Dienstleistungen. Teilweise enthalten die Broschüren sogar preisliche Informationen zu den Kinderwunsch-Paketen. In den Texten geht es um den Transport von eingefrorenen Embryonen über Landesgrenzen, Geschlechtsselektion und Wunschaussehen des Babys.

Einige Flyer der Aussteller: Oft ist auf den ersten Blick erkennbar, dass die Anbieter Dienste mit Leihmutterschaft anbieten
Eine Broschüre von Rainbow Fertility Barcelona: Sie spricht gezielt lesbische Paare mit Kinderwunsch an. Bei Mitgliedschaft zu einer LGBTQ-Gemeinschaft gibt es auf alle Behandlungen einen Sonderrabatt

Kinderwunschpaare nähern sich den Repräsentanten von Kliniken und lassen sich beraten. Nicht wenige Stände zeigen sich durch entsprechende Beflaggung als besonders LGBTQ-freundlich. Besonders ins Auge sticht die spanische Organisation Rainbow Fertility Barcelona, die zum Institut marquès gehört und damit wirbt, „assistierte Reproduktion für LGBTIQ+-Menschen“ anzubieten. Für Mitglieder einer LGBTIQ-Organisation gibt es sogar einen Sonderrabatt von zehn Prozent auf den Basispreis der Behandlungen.

Wer sich einem Stand nähert, um mehr Informationen über die Angebote der Organisation zu erhalten, bekommt sehr schnell die Frage gestellt: „Möchten Sie schwanger werden?“ In einem konkreten Fall wird dies verneint, und das Gespräch ist recht schnell wieder vorbei. Was zeigt, dass eine Messebesucherin zumindest an diesem Stand uninteressant ist, wenn sie keine potenzielle Kundin ist.

Noch deutlicher fällt dies auf, wenn man eine Mitarbeiterin von Barcelona IVF fragt, was denn genau die ROPA-Methode ist. „Die Beratung hier ist für unsere Kunden, diese Informationen können Sie gerne auf unserer Website nachlesen.“ Beratung und Kunden: Die Wortwahl zeigt, dass es um nichts anderes als um den Aufbau einer Geschäftsbeziehung geht – für eine illegale Dienstleistung. Die Information, was die ROPA-Methode ist, findet sich schließlich in einer Broschüre wieder: Einer (lesbischen) Frau wird eine Eizelle entnommen und durch eine Samenspende befruchtet. Der künstlich erzeugte Embryo wird dann der Partnerin eingepflanzt, damit beide Frauen an der Schwangerschaft beteiligt sind und sich als Eltern fühlen.

Leihmutterschaft im Seminarprogramm der Messe

Das Seminarprogramm ist umfangreich. Auch hier geht es bei vielen Seminaren um das Thema Leihmutterschaft. Zwei lauten beispielsweise: „Eltern werden durch Leihmutterschaft: Realistische Erwartungen versus Mythen“ und „Leihmutterschaft und US-Staatsbürgerschaft: Was Familien heute wissen müssen“.

Ein anderer Vortrag lautet: „Die ethischen Aspekte der Leihmutterschaft“. Der dänische Referent Mikkhel Raahede ist Territory Manager der Klinik Tammuz Nordic. Er berichtet zu Beginn, dass er mit einem Mann verheiratet und Vater dreier Mädchen sei, die durch Leihmutterschaft entstanden. In der Vergangenheit sei er gegen Leihmutterschaft gewesen, doch mittlerweile findet er: Leihmutterschaft ist „eine schöne Möglichkeit, eine Familie zu gründen“.

Eine Broschüre der Organisation Extraordinary Conceptions: Ein Embryo wird in den USA künstlich erzeugt und nach Lateinamerika überführt, wo die Leihmutter das Kind austrägt. Dort ist es billiger als in anderen Ländern, wie der Text verrät

In seinem Vortrag weist er auf die ethischen Aspekte der Leihmutterschaft hin, wie es der Titel ankündigt. Er geht dabei auf die Kinder, die Leihmütter und die Kinderwunschpaare ein. Die Ausführungen münden in einen moralischen Relativismus, wie er vor allem in diesen Kreisen weit verbreitet ist:

„Ich habe meine Wahrheit. Andere Leute haben aber eine andere Wahrheit, die genauso gültig ist. Wir müssen bescheiden sein.“ 

Er spricht sich auch für Gentests an Embryonen aus. Sie hätten ihren Preis, doch die Kinderwunsch-Paare seien dies den Kindern schuldig, es sollten schließlich keine kranken Kinder zur Welt kommen. Im Hinblick auf die Leihmutter kommt beim Referenten auch die gewohnte „My body my choice“-Argumentation zum Vorschein:

„Die Leihmutter hat das volle Recht über ihren Körper. Wenn sie sich für eine Abtreibung entscheidet, dann müssen wir das akzeptieren.“ 

Die Referentin Ola Zasepa, Mitarbeiterin am Utah Fertility Center, erzählt während ihres Vortrags ebenfalls sichtlich bewegt, dass sie Mutter eines Kindes aus Leihmutterschaft ist. Sie sei schockiert darüber, dass die Leute in Deutschland Angst vor Verurteilung hätten, wenn sie über Leihmutterschaft nachdenken. Sie versichert: Bei ihrer Klinik würde keiner verurteilt, und sie ermutigt die Zuhörer, zu ihrem Stand zu kommen. Jeder hätte das Recht, Vater und Mutter zu werden.

Stadt Köln: „Keine Verstöße festgestellt“

Corrigenda fragte die Stadt Köln, ob die Messe angesichts der klaren Verstöße gegen Gesetze denn zukünftig verboten wird oder zumindest Einschränkungen erfährt. Eine Sprecherin der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker wies lapidar darauf hin, dass keine Verstöße gegen die Auflagen bekannt wurden:

„Die Ausstellung Wish for a Babywurde in den vergangenen Jahren auf Grundlage von § 69 Gewerbeordnung (GewO) als erlaubnispflichtige Veranstaltung zugelassen. Die erteilte Genehmigung war jeweils mit der ausdrücklichen Auflage verbunden, dass jegliche Werbung oder Vermittlung im Zusammenhang mit Leihmutterschaften zu unterlassen ist. Eine neutrale, sachliche Information über medizinische, rechtliche oder ethische Aspekte in Bezug zur Thematik ist rechtlich zulässig und wird von den genannten Verboten nicht erfasst.

Die Ausstellung fand – wie im vergangenen Jahr – unter enger Betreuung und Aufsicht des Ordnungsamtes und der Polizeibehörde statt. Nach den Erkenntnissen der eingesetzten Ordnungskräfte wurden keine Verstöße gegen die erlassene Auflage bzw. strafrechtlichen Sachverhalte festgestellt.

Zusätzlich erwähnte die Sprecherin die Möglichkeit, eine Strafanzeige zu erstellen, sollten dennoch strafrechtlich relevante Sachverhalte wie Werbung und Vermittlung für Leihmutterschaft festgestellt worden sein. Bei neuen Erkenntnissen Dritter oder Strafanträgen würden ordnungs- und strafrechtliche Konsequenzen geprüft werden. Die Untersagung von Folgeveranstaltungen sei dann denkbar.

Die Strafanzeige des Vereins Frauenheldinnen

Da es sich aber nicht nur um „neutrale, sachliche Information“ handelt, sondern um Bewerbungen von Dienstleistungen rund um das Thema Kinderwunsch inklusive Preisinformationen, hat der Verein Frauenheldinnen entsprechend reagiert. Mehrere Vereinsmitglieder haben am ersten Messetag vor den Sartory-Sälen protestiert.

Zudem erstellte der Verein unter dem Vorsitz von Monika Glöcklhofer Strafanzeige gegen die Veranstalterin und mehrere Aussteller von „Wish for a Baby“ wegen „des Verdachts der strafbaren Werbung, Vermittlung und Anbahnung von Leihmutterschaftsverhältnissen“ bei der Staatsanwaltschaft Köln.

Als Beleg führt der Verein mehrere Zeugenaussagen an:

„Nach übereinstimmenden Zeugenaussagen kam es auf der Messe zu konkreten Vertragsangeboten und Preisnennungen für Leihmutterschaftsprogramme in den USA, Kolumbien, Georgien, Mexiko und Albanien.
Anbieter boten Komplettpakete ab 35.000 Euro an, sprachen offen über Auswahl und Bezahlung von Leihmüttern, über Eizellspenden, Geschlechtsselektion und sogar über Abbruchmöglichkeiten bei Mehrlings- oder genetischen Auffälligkeiten.“

Für den Rechtsanwalt Jonas Jacob sei hiermit „eindeutig der Tatbestand der öffentlichen Werbung und Anbahnung erfüllt“. Die Veranstaltung sei als Informationsveranstaltung deklariert worden, sei aber in Wirklichkeit „eine international ausgerichtete Verkaufsmesse für reproduktive Dienstleistungen – mit deutschen Ansprechpartnern, deutscher Rechtsberatung und gezielter Kundengewinnung“ gewesen.

Gegenüber Corrigenda ergänzte Jacob:

„Hier werden sehenden Auges Gesetze verletzt. Ich habe sowohl der Ordnungsbehörde als auch den Dezernenten (…) umfangreiche und dezidierte Gefahrenhinweise geliefert und schon vorgerichtlich eindringlich um Gespräche gebeten. Dass sich das Ordnungsamt mir gegenüber auf angebliche Zusagen des Veranstalters (…) beruft, und sich damit begnügt, dass in dem eigenen Bescheid rudimentär die Werbeverbotsauflage genannt sei, ist mehr als nur fahrlässig, mithin vorsätzlich. Es hat sich ja dann auch in der Veranstaltung selbst gezeigt, dass die Maßnahmen völlig ungenügend waren.“

Jacob wies darauf hin, dass er gemeinsam mit dem Verein Frauenheldinnen die Entscheidung auf dem Rechtsweg erzwingen wird, sollte die Politik nicht tätig werden. Um die Prozesskosten zu decken, hat der Verein Frauenheldinnen einen Spendenaufruf gestartet. Im Gespräch mit Corrigenda verriet Vereinsvorsitzende Glöcklhofer, sie selbst sei nicht in die Messe gekommen. Schon eine halbe Stunde nach der Buchung ihrer Tickets seien diese wieder storniert worden. Ihr Name sei wohl wegen früherer Proteste schon aufgefallen, meint sie augenzwinkernd. Das Verwaltungsgericht Köln hatte allerdings einen Eilantrag des Vereins abgelehnt, der zum Ziel hatte, einzelne Aussteller von der Messe fernzuhalten.

Auf die Frage, warum die Stadt Köln nichts gegen die offensichtlichen Auflagenverstöße unternehme, sagte Glöcklhofer, dies sei unter anderem dem „Kölschen Klüngel“ geschuldet. Also ein kommunaler Filz aus Beziehungen samt gegenseitigem Fördern und Befördern.

Wohin Werbung für Leihmutterschaft führen kann

Ob es Werbung für Leihmutterschaft auf einer Messe wie „Wish for a Baby“ gibt, ist keine Kleinigkeit. Denn durch die Werbung werden auch deutsche Paare zunehmend dazu ermutigt, sich ein Kind zu „kaufen“. Durch Gespräche werden Kontakte geknüpft und so entstehen Geschäftsbeziehungen.

Dass die Firmen in Deutschland weiter bekannt werden, befeuert auch ihre internationale Vernetzung. Es ist zu erwarten, dass Mund-zu-Mund-Propaganda entsteht: Kinderwunschkunden, die durch Leihmutterschaft Eltern wurden, werden ihre Erfolgsstory in ihrem Bekanntenkreis und auch in den sozialen Medien weiterverbreiten.

Wird im Sinne des deutschen Embryonenschutzgesetzes kein klares Signal gegen Werbung für Leihmutterschaft gesetzt, dann kommt dies einer stillschweigenden Duldung dieser illegalen Praxis gleich. Das gilt auch für andere Länder. Haben diese Firmen in Deutschland Erfolg, dann werden sie versuchen, auch in anderen Ländern Fuß zu fassen, in denen Leihmutterschaft ebenfalls – noch – verboten ist. Der globale Markt für Leihmutterschaft wächst weltweit stetig, das Gebären wird immer mehr kommerzialisiert.

Hinzu kommt eine mögliche Veränderung des moralischen Konsenses in der Gesellschaft, die eine Duldung eines Übels mit sich bringen kann. Hemmschwellen werden abgebaut, die Situation im öffentlichen Bewusstsein normalisiert.

Laut „Wish for a Baby“ soll die nächste Messe 2026 in Berlin stattfinden – wenn ihnen die Frauenheldinnen vom gleichnamigen Verein keinen Strich durch die Rechnung machen.

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