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Trump-Durchmarsch

Die USA rücken so stark nach rechts wie seit Reagan nicht mehr

Für Festlandeuropäer können die USA schon manchmal etwas seltsam anmuten. Entfernungen werden in Meilen, Schritt, Fuß und Zoll angegeben. Temperaturen werden in Fahrenheit gemessen. Fußball wird mit einem Ei gespielt. Und eine US-Präsidentschaftswahl gewinnt nicht zwingend derjenige Kandidat mit den meisten gewonnenen Wählerstimmen.

Im Jahr 1888 musste beispielsweise Präsident Grover Cleveland diese Erfahrung machen, als zwar 90.000 US-Amerikaner mehr für ihn votierten als für Benjamin Harrison. Da der Herausforderer jedoch mehr Wahlmänner auf sich vereinen konnte, zog dieser in das Weiße Haus ein.

Vier Jahre später kam es unter umgekehrten Vorzeichen zum gleichen Duell. Doch diesmal gewann Cleveland neben der Mehrheit der abgegebenen Stimmen auch im entscheidenden Wahlmännergremium. In dieses entsendet ein Bundesstaat umso mehr Wahlleute, desto höher die Einwohnerzahl ist. Auf einen Kandidaten, der die Mehrheit der Stimmen in einem Staat erzielt, entfallen sodann alle Wahlmänner. Die Präsidentschaftswahl 1892 sollte in die Geschichte eingehen, da mit Cleveland erstmals ein ehemaliger Präsident nach vierjähriger Unterbrechung wiedergewählt wurde.

Trump schreibt Geschichte

132 Jahre später machte sich Donald Trump auf, es Cleveland gleichzutun. Dabei waren die Voraussetzungen für einen Erfolg bei der am 5. November abgehaltenen Präsidentschaftswahl für den vier Jahre zuvor noch von den Wählern abgestraften Republikaner alles andere als günstig.

Schließlich hatte Trump einiges im Werdegang stehen: zwei gescheiterte Amtsenthebungsverfahren, zahlreiche Anklagen auf Bundes- und Landesebene, eine gerichtliche Verurteilung und die Nicht-Anerkennung der Wahl 2020 samt Mitverantwortung für den Sturm auf das Kapitol der Vereinigten Staaten, den Sitz des Kongresses, der Legislative also.

Und dennoch setzte sich Trump gegen Vizepräsidentin Kamala Harris vergleichsweise deutlich durch. In allen sieben umkämpften Bundesstaaten gewann der Milliardär, so dass letztendlich 312 Wahlleute auf Trump und 226 Wahlmänner auf Harris entfielen. Mit George H. W. Bush schnitt zuletzt im Jahr 1988 ein Republikaner im Wahlmännergremium so gut ab wie Trump 2024.

Den politischen Schwenk nach rechts unterstreicht auch eine Erhebung der Nachrichtenagentur Associated Press, die besagt, dass Trump in 92 Prozent der Countys ein besseres Ergebnis erzielte als 2020.

Trump gewinnt bei Minderheiten stark hinzu

Dass zu den wichtigsten Wählergruppen von republikanischen Kandidaten weiße und ältere US-Amerikaner sowie Evangelikale zählen, ist keine Neuigkeit. Knapp zwei Drittel der weißen Evangelikalen votierten laut einer Nachwahlbefragung von CNN vor diesem Hintergrund für Trump. 58 Prozent der Katholiken gaben ebenso dem Republikaner ihre Stimme. Im Jahr 2020 teilten katholische US-Amerikaner noch nahezu gleichmäßig ihr Votum zwischen dem Katholiken Joe Biden und Trump auf.

Dass Trump enorme Zuwächse unter Minderheiten zu verzeichnen hat, ist indes beachtlich. Insbesondere bei Latinos konnte Trump stark hinzugewinnen: Unterstützten im Jahr 2020 laut dem Pew Research Center noch 38 Prozent der Latinos Trump, konnte er deren Anteil auf 46 Prozent im Jahr 2024 steigern. Dies ist gleichbedeutend mit dem besten Ergebnis eines republikanischen Präsidentschaftskandidaten bei dieser Bevölkerungsgruppe während mindestens 50 Jahren.

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Latino-Männer gewann Trump sogar mit einem Vorsprung von zehn Prozentpunkten. Vor vier Jahren entschied Biden diese Gruppe noch mit einer Differenz von 20 Prozentpunkten für sich. Harris erreichte unter Latinos hingegen das schlechteste Ergebnis einer Demokratin seit der Kandidatur von John F. Kerry im Jahr 2004.

Auch unter afroamerikanischen Wählern konnte Trump fünf Prozentpunkte hinzugewinnen. Harris, Tochter eines Jamaikaners und einer Tamilin, erreichte in dieser Wählergruppe mit einer Zustimmungsquote von 85 Prozent sieben Prozentpunkte weniger als noch Biden im Jahr 2020. Unter asiatisch-stämmigen US-Amerikanern verzeichnete Trump einen Zuwachs von elf Prozentpunkten, Demokraten verloren hingegen 18 Prozentpunkte bei dieser Gruppe.

Es ist wieder die Wirtschaft

Die Gründe für Trumps historischen Sieg sind vielfältig. Einerseits scheint das Land der unbegrenzten Möglichkeiten für viele US-Amerikaner hinsichtlich ökonomischer Aufstiegsmöglichkeiten nicht mehr so verheißungsvoll. Die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie sowie abgeschwächt des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind nämlich auch in den USA (weiterhin) spürbar.

Im Vorfeld der Präsidentschafts- und Kongresswahlen hatte dies die Folge, dass laut repräsentativen Umfragen nur noch ein Viertel der US-Amerikaner der Meinung ist, dass ihr „Land auf dem richtigen Weg“ sei (Real Clear Politics). Mehr als zwei Drittel der Wähler in den bei der Präsidentschaftswahl umkämpften sieben Bundesstaaten beurteilten laut dem Meinungsforschungsinstitut Morning Consult die wirtschaftliche Lage zudem als schlecht.

Nachwahlbefragungen von CBS ergaben, dass es einer relativen Mehrheit von 45 Prozent der Wählerschaft heute ökonomisch schlechter gehen würde als noch im Jahr 2020. Drei Viertel der Wähler beschrieben, dass die hohe Inflation der vergangenen Jahre eine große oder zumindest moderate Herausforderung darstellte. Vor diesen Hintergründen spielte die Wirtschaftspolitik laut dem Meinungsforschungsinstitut Gallup für US-Amerikaner bei ihrer Entscheidungsfindung eine so große Bedeutung wie seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 nicht mehr.

Slogan „Trump Will Fix It“ verfing bei der Wählerschaft

Von dieser Gemengelage profitierte Trump ungemein. Die Wählerschaft schrieb nämlich dem Republikaner stärkere Führungsqualitäten und die besseren Kompetenzwerte in der Wirtschaftspolitik zu als Harris. Das Volk dürfte noch die erste Amtszeit von Trump in Erinnerung haben, als die niedrigste Arbeitslosenquote in mehr als 50 Jahren erreicht wurde. Trumps Kampagne gab sodann, freilich vereinfacht, den Demokraten die Schuld für die oftmals subjektiv betrachtete negative wirtschaftliche Entwicklung (objektiv verbesserten sich zahlreiche wirtschaftliche Kennzahlen in der Ära Biden nach der Pandemie).

Neben der Unzufriedenheit der US-Amerikaner über das eigene ökonomische Fortkommen gesellte sich andererseits eine massive Fehlerkette von Seiten der Demokratischen Partei, die zu Trumps Erfolg beitrug. Zunächst verloren Demokraten an Glaubwürdigkeit, als sie erst die mentale Fitness von Präsident Joe Biden schönredeten, nur um im Sommer den Druck auf dessen Verzicht für eine erneute Kandidatur zu erhöhen. Dessen Rückzug erfolgte zu spät, der Wechsel zu Kamala Harris gestaltete sich für US-Standards zudem als wenig demokratisch, da ohne offenen Vorwahlprozess.

Infolgedessen konnte sich nicht der bei der Basis beliebteste Kandidat mit dem erfolgversprechendsten Programm durchsetzen. Im Verlauf des für Harris kurzen Wahlkampfs machten sich ebenso ihre schon im Vorwahlkampf des Jahres 2019 offenbarten mangelhaften Qualitäten als Wahlkämpferin bemerkbar.

Harris als Symbol der liberalen Großstadtpartei

Die Wahl von Gouverneur Tim Walz als Vizepräsidentschaftskandidat sollte progressive und moslemische Wähler befrieden; aufgrund des anschwellenden Nahostkonflikts konnte dies jedoch nicht erreicht werden. Ebenso fokussierte sich die demokratische Kampagne zu spät zu stark auf klassische Medien. Die republikanische Kampagne ließ Trump hingegen mit reichweitenstarken Podcastern und Bloggern sprechen, um jüngere Wähler zu erreichen. Dass Präsident Biden Trumps Wähler verunglimpfte, war ebenso wenig hilfreich wie nicht konsistente Wahlkampfbotschaften.

In den vergangenen beiden Jahren verliefen Referenden auf Bundesstaatsebene über das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche für die Demokratische Partei zwar erfolgreich. Bei Abstimmungen in sieben von zehn Bundesstaaten war dies auch in diesem November der Fall.

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Doch Harris konnte von diesem scheinbaren Rückenwind nicht profitieren. Denn so leidenschaftlich die Demokratin für eine landesweit einheitliche liberale Abtreibungspraxis warb, so blass blieb sie bei anderen Themen. Abseits der expliziten Referenden überlagerte die Wirtschaftspolitik die Frage des Lebensschutzes gegenüber der Wahlfreiheit, den ungeborenen Menschen töten zu dürfen.

Umso deutlicher wurde die Schwäche von Kamala Harris, als sie sich für die Modezeitschrift Vogue ablichten ließ und dabei (ungewollt) ihre privilegierte Herkunft aus der liberalen Großstadt San Francisco unterstrich. Dass die Vizepräsidentin zahlreiche Wahlkampfauftritte mit Stars aus der Unterhaltungsindustrie abhielt, dürfte bei Durchschnittsamerikanern ebenso wenig gut angekommen sein. Trump verlegte derweil seinen Wahlkampf in einen McDonald’s und verkleidete sich als Müllmann. Mit dieser (gespielten) Bürgernähe stellte der Republikaner den größtmöglichen Kontrast zur Demokratin dar.

Republikaner dominieren auch Kongresswahl

Gleichwohl demokratische Kandidaten für den US-Senat in den Swing States im Schnitt um 3,6 Prozentpunkte besser abschnitten als Harris, konnten Demokraten ihr schwaches Abschneiden bei der Präsidentschaftswahl auch bei den Senatswahlen nicht wettmachen. Republikaner gewannen von Demokraten vier Senatssitze hinzu, so dass die Grand Old Party nunmehr eine Mehrheit in dieser Kongresskammer von 53 zu 47 Sitzen innehat.

Eine Begebenheit, die das Regieren für Trump für die nächsten beiden Jahre erleichtert – denn der US-Kongress wird in Teilen alle zwei Jahre gewählt. Die Bestätigung seiner von ihm nominierten Kabinettsmitglieder dürfte so leichter von statten gehen. Zudem können Republikaner Richter mit einer traditionellen Auslegung der Verfassung einfacher in ihren neuen Ämtern bestätigen. Dass Republikaner ihre knappe Mehrheit im US-Repräsentantenhaus wohl behaupten können (bei Redaktionsschluss am 11. November lief die Stimmenauszählung noch; die Republikaner kommen aktuell auf 214 Sitze, die Demokraten auf 205, die Mehrheit liegt bei 218 Sitzen), vereinfacht es zudem für Trump, seine politische Agenda, insbesondere in den Bereichen der Wirtschafts- und Migrationspolitik, umzusetzen.

Eine interessante historische Parallele

Wegen der Handhabung der Coronavirus-Pandemie wurde Trump vor vier Jahren abgewählt. Wegen den wirtschaftlichen Konsequenzen der Pandemie und des Umgangs der Biden-Harris-Administration diesbezüglich wurde Trump wiedergewählt. Insbesondere Minderheiten entschieden sich, wie von Papst Franziskus gefordert, offenbar nach ihrem eigenen Gewissen. Dieses wiederum priorisierte offensichtlich eigene wirtschaftliche Beweggründe vor moralischen und demokratietheoretischen Fragen.

Die Folge: Trump wurde nicht nur zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt. Der Republikaner erhielt im dritten Anlauf auch erstmals eine Mehrheit aller abgegebenen Stimmen. Neben der vierjährigen Unterbrechung zwischen ihren beiden Amtszeiten hat Donald Trump damit eine weitere Gemeinsamkeit mit Grover Cleveland, der bei allen seinen Wahlen eine Stimmenmehrheit erreichte. Der 22. und 24. Präsident galt übrigens als skeptisch gegenüber jeglichem Interventionismus im Ausland. Auch an dieser historischen Parallele mit Cleveland dürfte Trump Gefallen finden.

 


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