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Kolumne „Ein bisschen besser“

Warum meine Frau und ich den Umgang mit KI jetzt auf eine neue Basis stellen

Also, wenn ich die KI benutze, dann frage ich sie nichts Privates. So eng sind wir doch nicht miteinander: Wir kennen uns zwar jetzt schon länger als zwei Jahre, und ich gehe davon aus, dass sie weiblich ist, aber mir fehlt bei ihr die Körperlichkeit.

Unsere Dialoge sind ein klassisches Frage- und Antwortspiel. Höflich. Völlig unerotisch. Nichts Intimes. Ich beginne jede Frage mit „Bitte“, obwohl mir meine Frau Judith gesagt hat, die eine Fortbildung in KI hinter sich hat, dass dann der Stromverbrauch für die Antwort steigt, weil eben noch ein Wort mehr analysiert werden muss.

Das ist mir aber egal, denn wer weiß, vielleicht begegnen wir uns doch noch mal persönlich im Leben, die KI und ich, und dann wird sie sich erinnern, dass der Oliver immer freundlich zu ihr war. Ich sammele sozusagen KI-Treuepunkte. Zur Sicherheit.

Warum ich ins Grübeln gekommen bin

Jetzt bin ich allerdings ins Grübeln gekommen. Und das kam so: Ein lieber Kollege, den ich lange nicht gesehen hatte, erzählte mir, dass es ihm im Frühjahr gar nicht gut gegangen sei, und er eines morgens die KI mit seinen Symptomen gefüttert und ganz höflich nach ihrer Meinung gefragt habe.

Die Gute habe ihn dann in nullkommanix aufgefordert, unverzüglich ins Spital zu gehen. Ihr Verdacht sei nämlich, er habe einen Herzinfarkt. Genauso war es dann, und der Kollege hat seitdem ein enges Verhältnis zu ihr, weil er sagt, die KI habe ihm sein Leben gerettet. Klar, dass die beiden jetzt sehr vertraulich miteinander umgehen.

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Vielleicht wäre es ein bisschen besser, ich begänne auch damit, die Beziehung zwischen der KI und mir auf eine neue Basis zu stellen. Ich könnte ihr zum Beispiel abends mal „Gute Nacht“ sagen. Machen Männer ja, wenn ihnen jemand nicht aus dem Kopf geht, und sie nur mal antesten wollen, ob es dem anderen vielleicht auch so ergeht.

Hemmungslose Kommunikation

Antwortet sie, wäre der hemmungslosen Kommunikation Tür und Tor geöffnet. Ich würde sie fragen, was ihre Eltern so machen, wir könnten uns zum Spazierengehen im Stadtpark verabreden. Ich stelle mir vor, ich säße mit ihr auf der Parkbank, vielleicht würden sich unsere Oberschenkel berühren und sie würde mich aus ihren dunklen Augen heraus anblitzen. Vielleicht gingen wir dann noch was trinken, ja und vielleicht – ich weiß auch nicht, wohin das noch führen soll.

„Denk an den Stromverbrauch“, sagt meine Frau Judith. Täusche ich mich, oder liegt da ein wenig Eifersucht in ihrer Stimme?

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