Wer war Leo XIII.?

Gegen Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Redefreiheit, liberale Demokratie, Volkssouveränität und ein Kritiker der Vereinigten Staaten von Amerika – das sind nur einige der Dinge, die Leo XIII., den Papst aus dem einfachen italienischen Landadel, ausmachten. Und das alles sind Dinge, die bis auf die USA-Kritik in der heutigen Kirche eigentlich abgeschafft sind. Umso überraschender ist deshalb, dass der neue Papst Robert Francis Prevost sich den Namen Leo XIV. gab. Aber nur auf den ersten Blick, denn Leo XIII. steht für mehr.
Leo XIII. war traditionell genug, um sich bei den Konservativen beliebt zu machen, und gleichzeitig hat er durch seine Sozialenzyklika „Rerum Novarum“ („Von den neuen Dingen“) auch bei jenen Katholiken einen Namen, denen die soziale Frage wichtig ist.
Leo XIII. war nicht nur ein „Tradi-Papst“ des 19. Jahrhunderts, ein Antimodernist in einer unmöglich gewordenen Gegenwart. Zu Recht begleitet ihn der Ruf des „Arbeiterpapstes“ oder „Sozialpapstes“, gab er doch mit dem ersten katholischen Lehrschreiben zur sozialen Frage dieser einen neuen Rang. Doch all das geschah auf der Ebene der typischen katholischen Tradition, zu der auch Enzykliken gegen die Freimaurer („Humanum genus“) und den Amerikanismus („Longinqua“) gehörten. Leo XIII. ist der Papst mit den meisten Enzykliken, 86 insgesamt, inklusive 16 über den Rosenkranz und die Gottesmutter Maria.
Leo XIII. galt als „Meister der Politik“
Der Kirchendiplomat Vincenzo Gioacchino Kardinal Pecci, so der bürgerliche Name Leos XIII., wurde 1878 zum Papst gewählt. Er war als Kirchenjurist ausgebildet, Nuntius (Botschafter des Heiligen Stuhls) in Belgien und vor seiner Papstwahl Erzbischof von Perugia, wo er die Kathedrale neugotisch umgestalten ließ.
Leo XIII. galt als „Meister der Politik“. Das Pontifikat sollte mit 25 Jahren eines der längsten überhaupt werden und erst am 20. Juli 1903 enden – im Alter von 93 Jahren. Der in einem KZ umgekommene Missionswissenschaftler und Kirchenhistoriker Joseph Schmidlin beschrieb Leo XIII. als „eine geborene Herrschernatur“, als „sein eigener Kanzler, kühl und nüchtern in seiner Lebensauffassung“.
Er lobte seine Angestellten „selten oder nie und stellte ungeheure Anforderungen an das Pflichtgefühl der Mitarbeiter, denen er seinen eigenen Maßstab anlegte (…) Er suchte den Frieden und die Harmonie um jeden Preis, nach innen wie nach außen, so dass er mehr als einmal diesem Hang zum Politisieren und Diplomatisieren, wie man es genannt hat, schwere Opfer brachte, die hart an prinzipielle Zugeständnisse stießen.“ (Schmidlin, Papstgeschichte Bd. 2, S. 587f.)
Er hatte – wie seine Vorgänger im Papstamt – eine antiliberale Gesinnung und förderte die scholastische Theologie. Allerdings trat er weniger konfrontativ auf. In seinem Regierungsprogramm, das er in der Konsistorialansprache im März 1878 sowie in seiner Antrittsenzyklika „Inscrutabili Dei consilio“ über die Übel der Gesellschaft darlegte, verwarf er das bloße Reagieren seiner Vorgänger auf die Zeitirrtümer und setzte vor allem gegenüber den Kulturfortschritten auf eine versöhnliche Haltung.
Zu seinen großen diplomatischen Leistungen zählt die Beendigung des Kulturkampfes im Deutschen Reich, indem er gegen den Willen der katholischen Zentrumspartei und ihres Vorsitzenden Ludwig Windthorsts – dieser beschrieb die Einigung mit den Worten „Vom Rücken her erschossen!“ – Zugeständnisse an Reichskanzler Bismarck machte, die zu den „Friedensgesetzen“ von 1887 führten.

Als große Niederlage hingegen kann man seine Frankreichpolitik bewerten, die er mit der Enzyklika „Au milieu des sollicitudes“ über Kirche und Staat in Frankreich (1892) begleitete. Das Rundschreiben machte Zugeständnisse an die laizistische Dritte Republik und schwächte den Widerstand der Katholiken. Aber eine Versöhnung zwischen Staat und Kirche kam nicht zustande. Die Politik Frankreichs blieb kirchenfeindlich und führte schließlich 1905, zwei Jahre nach dem Tod Leos, zum radikal-laizistischen „Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat“, dem „Loi relative à la séparation des Eglises et de l’Etat“. Es heißt, noch auf dem Totenbett habe der Papst seine Frankreichpolitik bereut.
Die Sozialenzyklika „Rerum novarum“ von 1891
Auch außerhalb der katholischen Welt berühmt geworden ist Leo XIII. für seine Sozialenzyklika „Rerum novarum“. Sie ist nicht das Werk eines neokonservativen Transatlantikers, sondern vereint genuin katholische Kapitalismuskritik mit Antimodernismus. Ein Weg jenseits von Liberalismus und Sozialismus, der den Menschen als Geschöpf Gottes betrachtet, das gleichzeitig in einen natürlichen und staatlichen Ordnungsrahmen eingebettet ist. Direkt zu Beginn kritisiert der Papst Zustände seiner Zeit: „Das Kapital ist in den Händen einer geringen Zahl angehäuft, während die große Menge verarmt.“ Produktion und Handel seien fast zum Monopol von wenigen geworden, und wenige übermäßig Reiche könnten einer Masse von Besitzlosen „ein nahezu sklavisches Joch auflegen“.
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Gleichzeitig warnt der Papst vor dem Sozialismus als Lösung und besteht darauf, dass das Privateigentum unangetastet bleiben müsse. Die Lösung Leos besteht unter anderem in der Gründung von Genossenschaften und Vereinen der Arbeiter, darin, dass die Arbeiter einen gerechten Lohn erhalten und Privateigentum erwerben können. Dies soll auch unter Mithilfe des Staates geschehen: „Der Staat muss dieses Recht in seiner Gesetzgebung begünstigen und nach Kräften dahin wirken, dass möglichst viele aus den Staatsangehörigen eine eigene Habe zu erwerben trachten.“
Enzyklika gegen den Amerikanismus und die Freimaurerei
Die Entschiedenheit in der sozialen Frage darf nicht über den Antimodernismus hinwegtäuschen, das heißt über die Ablehnung der liberalen Ideologie, wie sie sich mit der Epoche der Aufklärung in Europa und den USA ausbreitete. Im Pontifikat Leos XIII. wird dies auf kirchenpolitischer Ebene deutlich im Brief „Testem Benevolentiae Nostrae“ („Zeugnis unseres guten Willens“) mit dem Untertitel: „Über neue Meinungen, Tugend, Natur und Gnade, in Bezug auf den Amerikanismus“ (1899), gerichtet an den Erzbischof von Baltimore, James Kardinal Gibbons. Bereits in der Enzyklika „Longinqua“ über die Katholiken in den Vereinigten Staaten (1895) kritisierte Leo den liberalen Geist Amerikas. Vor allem war ihm ein Dorn im Auge, dass dort die Trennung von Staat und Kirche als ein Ideal betrachtet wurde.
Im Brief „Testem Benevolentiae Nostrae“, der auch in das Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen von Heinrich Denzinger Eingang fand, verwarf Leo die Vorstellung, dass sich das Glaubensgut der Kirche (depositum fidei) an die neuen Zeitumstände anpassen müsse:
„Diesen neuen Meinungen liegt der Gedanke zugrunde, dass die Kirche, um die Andersdenkenden leichter an sich binden zu können, ihre Lehren mehr dem Zeitgeist anpassen, ihre alte Strenge lockern und neuen Meinungen gegenüber Zugeständnisse machen sollte. Viele sind der Meinung, dass diese Zugeständnisse nicht nur in Bezug auf die Lebensweise, sondern sogar in Bezug auf die Lehren, die zum Glaubensgut gehören, gemacht werden sollten. Sie behaupten, es sei angebracht, um die Andersdenkenden zu gewinnen, bestimmte Punkte ihrer Lehre, die von geringerer Bedeutung sind, wegzulassen und die Bedeutung, die die Kirche ihnen immer beigemessen hat, abzuschwächen. Es bedarf nicht vieler Worte, geliebter Sohn, um die Falschheit dieser Vorstellungen zu beweisen, wenn man sich das Wesen und den Ursprung der Lehre, die die Kirche vertritt, in Erinnerung ruft. Das [Erste] Vatikanische Konzil sagt zu diesem Punkt: ‘Denn die von Gott geoffenbarte Glaubenslehre ist nicht wie eine philosophische Erfindung vorgeschlagen worden, die durch menschlichen Einfallsreichtum vervollkommnet werden soll, sondern sie ist dem Bräutigam Christi als göttliches Pfand überliefert worden, um treu bewahrt und unfehlbar verkündet zu werden. Daher ist der Sinn der heiligen Dogmen, den unsere heilige Mutter, die Kirche, einmal verkündet hat, stets beizubehalten, noch darf von diesem Sinn jemals unter dem Vorwand eines tieferen Verständnisses derselben abgewichen werden.’“
In der Enzyklika „Humanum genus“ („Das Menschengeschlecht“) von 1884 verdammte Leo die Freimaurerei. Er beschrieb sie als Zerstörer des Reiches Gottes, mit der Absicht, die Kirche zu vernichten, und als Sekte („Secta“), die konkurrierende religiöse Auffassungen vertrete:
„Die Naturalisten und Freimaurer aber, die keinen Glauben an das haben, was wir durch die Offenbarung Gottes erfahren haben, leugnen, dass unsere ersten Eltern gesündigt haben, und meinen daher, der freie Wille sei überhaupt nicht geschwächt und zum Bösen geneigt. Im Gegenteil, indem sie vielmehr die Macht und die Vortrefflichkeit der Natur übertreiben und in ihr allein das Prinzip und die Herrschaft der Gerechtigkeit sehen, können sie sich nicht einmal vorstellen, dass es überhaupt eines ständigen Kampfes und einer vollkommenen Standhaftigkeit bedarf, um die Gewalt und die Herrschaft unserer Leidenschaften zu überwinden.“
Die Enzyklika „Providentissimus Deus“ (1893) war das erste Schreiben, in dem ein katholisches Kirchenoberhaupt zur Bibelwissenschaft Stellung bezog. Leo bekräftigte darin, dass der Heilige Geist der Verfasser der Heiligen Schrift sei und ihre Irrtumslosigkeit und Unfehlbarkeit in allen Fragen – nicht nur mit Bezug auf Heilswahrheiten – feststehe.
Leo war stark von der Scholastik geprägt – jener Denk- und Lehrtradition, die sich im Mittelalter auf Grundlage der aristotelischen Philosophie entwickelte und deren bedeutendster Vertreter der Dominikaner Thomas von Aquin (1225-1274) war. Mit seiner Enzyklika „Aeterni Patris“ (1879) verfolgte Leo das Ziel, der Neuscholastik – der neuzeitlichen Wiederbelebung der scholastischen Methode im 19. Jahrhundert – neuen Glanz zu verleihen.
Was durch die Philosophen der Aufklärung an christlich-abendländischem Gedankengut in Verruf geraten war, sollte durch die neuscholastische Philosophie und Theologie wiederhergestellt werden. Besonders als geistige Waffe gegen Irrtümer der Zeit und den Liberalismus sollte die Neuscholastik dienen. Sie wurde zudem zur verbindlichen Methode in der Priesterausbildung erhoben.
Das päpstliche Staatsdenken
Traditionelles Staatsdenken heißt meist, den Staat als Monarchie zu denken. Durch die Betonung des Naturrechts war jedoch auch eine Möglichkeit gegeben, sich von der Monarchie als einzig legitimer Staatsform zu lösen und die Demokratie unter gewissen Bedingungen anzuerkennen. Leo akzeptierte nicht die liberale Demokratie, bei der man über alles, auch über Fragen der Moral und der Religion, abstimmen kann. Er akzeptierte nur jene Demokratie, die die menschliche Vernunft nicht autonom vom kirchlichen Lehramt und seinen autoritativ interpretierten Naturrechtsnormen betrachtet. Der Staat musste nach Leo mindestens die Ordnung und das christliche Sittengesetz garantieren.

In seinen Enzykliken „Diuturnum illud“ über „den Ursprung der bürgerlichen Gewalt“ vom 29. Juni 1881 und „Immortale Dei“ über die christliche Verfassung der Staaten vom 1. November 1885 klärte Leo die wichtigsten Grundsätze seiner neuscholastischen Staats- und Gesellschaftslehre. In „Immortale Dei“ verurteilte er mit Verweis auf seine Vorgänger Gregor XVI. und Pius IX. die unbedingte Meinungs- und Pressefreiheit, da diese Wahrheit und Sittlichkeit bekämpften und ein Zeichen von religiöser Indifferenz seien.
Aus denselben Gründen wird in derselben Enzyklika Religionsfreiheit abgelehnt. Weil es, so Leo, nur eine wahre Religion gibt, hat auch nur eine Religion die vollen Rechte. Die Staatsmänner, die anderen Religionen gleiche Rechte einräumten, um Übel abzuwenden, wurden jedoch nicht verurteilt. Nichtkatholische Bekenntnisse und Religionen sollten allenfalls einen Toleranzstatus haben, der vom Gemeinwohl abhängt.
In „Diuturnum illud“ verwarf Leo vor allem Autonomieansprüche, die Volkssouveränität anstrebten. Er warnt davor, dass eine vollständige Volkssouveränität zu moralischem Relativismus und zur Ablehnung göttlicher Ordnung führen könne. Den Beginn dieser bürgerlichen Ermächtigung sah er in der Reformation und der Französischen Revolution. Hier zeigt sich die prägende Erinnerung an die Französische Revolution als Gewaltbewegung, die nicht davor zurückschreckte, Priester und Ordensangehörige zu töten und die bestehende Ordnung zu zerstören.
Leo stellte dem modernen Staatsgedanken den christlichen Gedanken von Kirche und Staat als jeweils eigene vollkommene Gesellschaft (societas perfecta) gegenüber. Die beiden vollkommenen Gesellschaften bleiben dennoch aufeinander bezogen: Der bürgerlich-politische Bereich ist demnach der Bereich des Staates. Alles, was mit dem Heil der Seelen zu tun hat, gehört aber zum Bereich der Kirche und ist damit der kirchlichen Gewalt und Entscheidung unterstellt. Als Musterbeispiel betrachtete Leo XIII. dabei die Monarchie. Der Papst argumentierte, dass bereits Paulus die Unterwerfung unter die Obrigkeit betonte; die Verweigerung des Gehorsams galt daher als Verbrechen gegen die göttliche Majestät.
Gegen allgemeine Rede- und Pressefreiheit
Ganz grundlegend ist für sein Pontifikat auch die Enzyklika „Libertas“ über die Natur der menschlichen Freiheit (1888), eine Art Ergänzung zu „Immortale Dei“. Leo XIII. stellt hier ein naturrechtlich-thomistisches Freiheitsverständnis einem liberalen gegenüber und lehnt auf der Linie seiner Vorgänger etwa die uneingeschränkte Rede- und Pressefreiheit mit einer ausführlichen Begründung ab:
„Betrachten wir nun auch in Kürze die Rede- und Pressefreiheit. Wir brauchen kaum zu erwähnen, dass eine solche unbeschränkte, alles Maß und alle Schranken überschreitende Freiheit kein Recht auf Existenz besitzen kann. Das Recht ist nämlich eine sittliche Macht, und es ist daher töricht zu glauben, dasselbe sei von der Natur unterschiedslos und in gleichem Maße sowohl der Wahrheit wie der Lüge, der Sittlichkeit wie dem Laster verliehen. Es besteht ein Recht: das, was wahr und sittlich ist, frei und weise im Staat auszubreiten, damit es möglichst vielen zugute komme; mit Recht unterdrückt aber die Obrigkeit, so viel sie kann, lügenhafte Meinungen, diese größte Pest des Geistes, wie auch Laster, welche die Seelen und die Sitten verderben, damit sie nicht zum Schaden des Staates um sich greifen.“
Leo XIII. war trotz der kernigen Worte ein diplomatischer Papst, ein Versöhner, ein „Politicante“, kein Eiferer. Er wollte den modernen Staaten den „Ölzweig“ reichen. Schmidlin fasst zusammen:
„So sehr Leo XIII. in dogmatischen und religiösen Dingen ihre [Gregors XVI. und Pius’ IX.] Erbschaft antrat und ihre Tradition ritterlich verfocht, hat er doch als echt moderner Papst allem guten in der menschlichen Zivilisation den Ölzweig dargereicht und ihre Vorzüge seiner Institution einverleibt: sowohl in der Politik gegenüber den Staaten und in seiner sozialen Aktion für die Volksmassen als auch hinsichtlich der geistigen und kulturellen Kräfte und Strömungen.“
Im Kern ging es nämlich, wie Schmidlin schrieb, um die „Rückeroberung“ der modernen Welt für den Herrschaftsbereich des Papstes, nicht jedoch um die Akzeptanz der Moderne. Leo XIII. war ein antimoderner Pragmatiker, der politisch viel tolerieren konnte, wenn es um das Wohl der Kirche ging. Klarsichtig bringt das der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf auf den Punkt:
„Leos XIII. Politik war von Pragmatismus geprägt. Er war kein Liberaler, reagierte aber politisch flexibel auf die ‘Anmaßungen der neuen Zeit’. Die Öffnung der Kirche auf die Welt hin war bei Leo XIII. weitgehend pragmatisch bedingt, weshalb eine grundsätzliche Versöhnung von Kirche und Welt weder angestrebt war noch gelingen konnte.“
Auf dieser Linie liegt auch die jüngste Biografie von Jörg Ernesti „Leo XIII. Papst und Staatsmann“ (2019). Sie vermeidet schmeichelhafte Apologien und will stattdessen den Papst so beschreiben, wie er war. Die Diplomatie Leos ging oft bis zur Schmerzgrenze und darüber hinaus. Dafür wurde der Papst nicht selten kritisiert, auch von Kardinälen wie dem Nuntius von München Gaetano Aloisi Masella.
Die Furcht vor liberal-säkularen Bewegungen in der Kirche
Gleichzeitig war er aber theologisch klar auf einer antimodernistischen Linie, wie Ernesti betont:
„Immer wieder wandte er sich in seinen Enzykliken und Ansprachen gegen den Rationalismus, die Philosophie der Aufklärung. In diesem falschen Denken erblickte er die tiefste Wurzel aller gesellschaftlichen Übel.“
Was Leo XIII. im Verhältnis zwischen Staat und Kirche erreichen wollte? Ernesti schreibt, es sei um „das Idealbild eines förderlichen Zusammenspiels“ (cohabitation bénéfique) gegangen. Leo habe verhindern wollen, dass Religion und Kirche in liberalen Staaten zur Privatsache degradiert und verdrängt werden.
Leo XIII. fürchtete sich vor liberal-säkularen Bewegungen innerhalb und außerhalb der Kirche und ordnete 1884 die „leonischen Gebete“ an, die nach jeder stillen Messe gebetet wurden. Bis heute bekannt ist das Gebet zum heiligen Erzengel Michael. Darin wird die Hilfe des Erzengels Michael im Kampf gegen den Satan herbeigefleht. 1964 wurden die Gebete von Paul VI. wieder abgeschafft. Die Säkularisierung und die Entkirchlichung haben seitdem massiv zugenommen.
Die Gräben sind größer geworden. Kann der neue Papst Leo erfolgreich Brücken bauen und den Ölzweig reichen? Die nahe Zukunft wird es zeigen.
Kommentare
Danke für diesen aufschlussreichen Beitrag. In den Kammern der Kirche lauern so viele intellektuelle Schätze. Sie müssen nur gehoben werden. 🙏
Wer die Enzyklika „Humanum genus“ nachlesen möchte, findet zwar zurzeit keine deutschsprachige Fassung auf der Seite des Vatikans, doch hier:
https://kath-zdw.ch/maria/Enzykliken.Bullen/Enzyklika.Humanum.genus.Pap…
Möge Papst Leo XIV. den Sirenen widerstehen, die um ihn säuseln werden, darauf hoffe ich. Möge er in und durch GottVater, GottSohn und Heiliger Geist daheim sein.
Leo XIV. wird gut daran tun, nur den Aspekt der sozialen Frage von Leo XIII. hervorzuheben und den Rest unter den Tisch fallenzulassen, denn
"Humanum Genus" trieft vor Anti-Judaismus und Obskurantismus, es könnte von Julius Streicher stammen (Synagoge Satanae). Apostolicae Curae wurde ja praktisch von der Kirche bereits entsorgt, trotz der Versuche Joseph Ratzingers, es weiter zu beachten (Ungültigkeit der Anglikanischen Weihen).
Leo XIII. war aber auch eine Wohltat gegenüber den von Paranoia geprägten Pontifikaten von Pius IX. und Pius X.
@Thomas Kovacs "Ich sage euch: Über jedes unnütze Wort, das die Menschen reden, werden sie am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen müssen;
denn aufgrund deiner Worte wirst du freigesprochen und aufgrund deiner Worte wirst du verurteilt werden." Mt 12, 36-37