Im Workation-Fieber

Ich habe diese Woche mit einem hochrangigen Berater telefoniert, sehr erfahren, alles schon gesehen. Wir waren noch in der Aufwärmphase und fragten, wo der andere denn gerade so sei. Ich sagte: „Italien“, er sagte: „Schön – Workation!“ Ich bin sehr schnell zum eigentlichen Thema übergegangen. Es war mir wichtig, dass der Eindruck mehr auf Work als Vacation liegen würde. Und als ich abends meine Frau Judith fragte, was an meiner Arbeit denn so workationmäßig sei, sagte sie: „Der Sprung in den See nach Feierabend.“
Sprache lebt, Livelonglanguage so to say. Ich frage meine Framily, was für Texpetations sie haben. Sie sagen: „Chillax mal, Digger“, Hauptsache smexy und nicht hangry, was die Zustandsbeschreibung ist für: Ich bin nicht ich selbst, wenn ich hungrig bin.
Damals, als ich „Fräulein“ zur Frauenbeauftragten sagte
Mir passiert das manchmal, Judith weiß das, und meistens stellt sie dann zügig etwas bereit, was den Hunger senkt und die Laune hebt. Ein Teller in Parmaschinken eingewickelter Käse, kurz in Olivenöl heiß gebraten, mit Zitrone und frischem Pfeffer abgeschmeckt, dazu eine Focaccia tun es schon, und ich kann mich wieder der Sprache widmen.
Gendern zu verbieten halte ich für genauso überflüssig, wie es vorzuschreiben. Es kommt ja darauf an, was beim anderen ankommt, und ich bekomme bei allen, die das innere „I“ aussprechen und dafür so eine Minipause im Wort einlegen, um das „I“ zu betonen, kurz einen Schreck, weil ich denke, es kündige sich da vielleicht ein Herzinfarkt an.
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Ich bin nicht der Meinung, dass sich Denkmuster durch Umbenennung ändern. Ich habe mal die Frauenbeauftragte von Ronnenberg, was bei Hannover liegt und der Ausgangspunkt meiner journalistischen Karriere war, „Fräulein“ genannt, worauf sie an die Decke gegangen ist. Wir sind dann zur Versöhnung um die Häuser gezogen, und ich habe ihr zum Abschied noch mal „mein Fräulein“ ins Ohr geflüstert. Wir waren fast ein wenig lovesick.
In meinem Fall ließe sich von „timeless“ Liebenden reden
Die Entwicklung der Sprache zu substantivierten Partizipien halte ich für einen Irrweg. Mein Großer ist ein Studierender, der aber gleichzeitig eine tragende Rolle in einem Biergarten übernommen hat und in solchen Augenblicken kein Studierender, sondern ein Kellnernder ist. Ein kellnernder Student, um es ein bisschen besser auszudrücken. Im Hörsaal ist er dann ein studierender Kellner. Mein Wunsch ist, dass er kein studierter Kellner wird, aber das ist auch schon egal.
Im Fall von Judith und mir ließe sich allerdings von Liebenden reden, weil wir die Sache auf Dauer angelegt haben. „Timeless“ würde der Berater sagen, mit dem ich darüber aber nicht gesprochen habe.
Kommentare
Dieses Argument bringe ich auch immer. Ein Studierender geht aufs Klo, was das aus dem Studierenden macht darf sich jeder selbst denken. Alleine das will ich nicht wissen.