Haben, was andere nicht haben

Statussymbole sind so alt wie die Menschheit. Schon immer haben Menschen durch sichtbare Zeichen gezeigt, dass sie einer höheren sozialen Schicht angehören oder glauben anzugehören. Früher waren es große Ländereien, prächtige Häuser oder aufwendig gearbeitete Gewänder. Später kamen Luxusgüter wie seltene Uhren, schnelle Sportwagen oder extravagante Handtaschen hinzu.
Statussymbole erfüllen dabei zwei Funktionen: Einerseits zeigen sie nach außen, dass man es „geschafft“ hat, andererseits schaffen sie nach innen Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe.
Doch wie jedes kulturelle Zeichen unterliegen auch Statussymbole einem Wandel. Was gestern der ultimative Beweis für Erfolg war, kann heute banal wirken. In einer Welt, in der selbst die Mittelschicht ein neues Smartphone oder ein Designerstück auf Ratenzahlung kaufen kann, verlieren klassische Symbole an Exklusivität. Die Frage lautet daher: Was hebt die wirklich Reichen und Einflussreichen noch sichtbar ab?
Weg von Dingen, hin zu Lebensstilen
In den vergangenen Jahrzehnten wurden Statussymbole zunehmend mit materiellen Gütern in Verbindung gebracht. Doch je mehr Luxusgüter massenhaft verfügbar und erschwinglicher werden, desto geringer ist ihre symbolische Kraft. Das wahre Unterscheidungsmerkmal verschiebt sich daher von Dingen zu Lebensstilen. Wer seinen Lebensstil in einer Welt ständiger Unsicherheit, steigender Kosten und zunehmender Komplexität souverän aufrechterhalten kann, signalisiert Macht und Unabhängigkeit.
Hier tritt ein auf den ersten Blick paradoxes Symbol in den Vordergrund: Kinder – und zwar viele.
Warum gerade Kinder? Auf den ersten Blick klingt es widersprüchlich, denn noch nie hatten Menschen so wenige Kinder wie heute. In Deutschland liegt die Geburtenziffer bei etwa 1,35 Kindern pro Frau, bei deutschen Frauen beträgt sie sogar nur 1,23. In den USA liegt sie bei 1,6 Kindern pro Frau und in Südkorea lediglich bei 0,75.
In vielen Teilen der Welt entscheidenden sich Paare nur noch, wenn überhaupt, für ein oder zwei Kinder und nennen oftmals steigende Lebenshaltungskosten, teure Wohnungen, unsicherere Karrieren und fehlende Unterstützungssysteme als Gründe. An drei, vier oder mehr Kinder denken viele überhaupt gar nicht mehr. Doch genau darin liegt der Kern: Seltenheit macht wertvoll.
Wenn kaum jemand viele Kinder hat, sticht genau das heraus. Wer es dennoch schafft, eine große Familie aufzubauen und gleichzeitig seinen Lebensstandard, seine Karriere und seinen Lebensstil zu bewahren, sendet ein mächtiges Signal: „Ich kann es mir leisten – ökonomisch, körperlich und psychisch.“
Kinder als Investition in die Zukunft
Für Vermögende, die in langen Zeithorizonten denken, ist eine große Familie mehr als nur Emotion oder Lebensfreude – sie ist eine Form der Investition. In einer alternden Gesellschaft, in der viele Menschen ohne familiären Rückhalt einsam altern, ist die große Familie ein Garant für Stabilität. Kinder sind eine Absicherung, ein soziales Netzwerk, sind potenzielle Träger von Wissen, Beziehungen und Vermögen.
Viele Kinder zu haben bedeutet auch, Chancen zu streuen. Unterschiedliche Talente, Berufe und Lebenswege innerhalb einer Familie wirken wie eine Diversifikation im Portfolio und schützen somit vor Einseitigkeit und Instabilität. Wer groß denkt, baut nicht nur ein Vermögen, sondern auch eine Dynastie auf.
Familie ist das soziale Kapital schlechthin
Die Idee einer über Generationen bestehenden Dynastie übt seit jeher eine große Faszination aus. In einer Zeit, in der Institutionen an Vertrauen verlieren, soziale Bindungen erodieren und Vereine oder andere gesellschaftliche Gruppen ihre prägende Rolle eingebüßt haben, wächst der Familie erneut zentrale Bedeutung zu.
Staaten werden – auch aufgrund der Wanderungsbewegungen und insbesondere bei der Oberschicht durch die Länder und Kontinente überschreitende Mobilität – eine geringere Bindung erzeugen. Was bleibt also? Die Rückbesinnung auf den kleinsten Kreis um einen herum.
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Viele Kinder sind ein Zeichen persönlicher Stärke und bilden das Fundament für den Erhalt dessen, was einem selbst wichtig ist. Wer in einer Welt der Unsicherheit auf seine Familie setzen kann, verschafft sich einen Vorteil, der lebenslang währt und weit über das eigene Leben hinausreicht. Soziologen sprechen nicht umsonst von der Familie als dem sozialen Kapital par excellence.
Damit wird sie nicht nur zum emotionalen Anker, sondern auch zum Statussymbol. Wer eine große, starke Familie hat, signalisiert Unabhängigkeit, etwa derart: Wir brauchen den Staat oder das Gemeinwesen nicht, wir haben unser eigenes Netzwerk.
Abkehr vom Woke-Trend
Parallel dazu erleben wir einen kulturellen Gegentrend. Während linksliberale Strömungen lange auf Individualismus, Selbstentfaltung und persönliche Freiheit gesetzt haben, deutet sich eine Rückbesinnung auf konservative Werte an: Familie, Stärke, Gesundheit, Tradition.
Viele Kinder zu haben passt exakt in diese Gegenbewegung. Es ist ein Ausdruck von Vitalität und Durchsetzungsfähigkeit – und eben auch von Möglichkeiten. Denn nicht jeder kann es sich leisten, viele Kinder zu haben. Wer es kann, zeigt, dass er über Ressourcen verfügt, die weit über das Alltägliche hinausgehen.
Zeichen von Stärke und Zukunftsvertrauen
Ein weiterer Aspekt ist der finanzielle: Kinder kosten viel – und zwar von der Geburt bis zur Ausbildung oder dem Studium. Für die Mittelschicht bedeutet das oft eine Lebensaufgabe, für die Reichen wird es hingegen zum Unterscheidungsmerkmal: „Wir können es uns leisten, viele Kinder großzuziehen, ohne unseren Lebensstil einschränken zu müssen.“
In diesem Sinne wird Kinderreichtum zum Porsche oder einer Villa am Tegernsee der Zukunft: ein Statussymbol, das für die meisten unerschwinglich ist, das aber umso mehr bewundert wird, wenn es die wenigen zeigen können, die es sich leisten können.
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Letztlich sendet eine große Familie ein klares Signal: Vertrauen in die Zukunft. Während viele Menschen von Krisen, Krieg und wirtschaftlicher Entwicklung verunsichert sind, zeigen Eltern mit fünf, sechs oder mehr Kindern, dass sie optimistisch nach vorne blicken.
Wer viele Kinder hat, demonstriert: Ich habe genug Ressourcen, genug Stärke und genug Mut, die Zukunft nicht nur für mich, sondern auch für viele Nachkommen zu gestalten. Dieses Signal wird – gerade in unsicheren Zeiten – als noch mächtigeres Statussymbol verstanden als jede Uhr oder jedes Auto.
Kultureller Wendepunkt mit Strahlkraft
Wir stehen an einem kulturellen Wendepunkt: Klassische Luxusgüter verlieren an Bedeutung. Das neue, echte Statussymbol wird nicht gekauft, sondern geboren. Eine große Familie wird zum Ausdruck von Wohlstand, Stärke, Zukunftssicherheit und Unabhängigkeit. Wie bei jedem echten Statussymbol wird es zunächst nur von wenigen besessen, um dann von anderen begehrt zu werden.
In einer Welt, die von Einsamkeit im Alter, sinkenden Geburtenraten und dem Zerfall traditioneller Bindungen geprägt ist, wird die Familie zur ultimativen Antwort. Wer viele Kinder hat, signalisiert: Ich habe, was andere nicht haben. Ich denke über Generationen hinaus. Ich bin unabhängig.
Genau deshalb werden viele Kinder in wenigen Jahren das wahre Statussymbol unserer Zeit sein. Und wahrscheinlich das schönste Statussymbol, das es jemals gegeben hat.
Kommentare
Offen gestanden: Neuerdings die Anzahl von Kindern als Statussymbol herbeizuschreiben, finde ich ziemlich daneben.
Ob man Familie bei uns als neues Statussymbol etablieren kann? Da bin ich pessimistisch. Kinderreiche Familien werden doch bei uns mit hochgezogener Augenbraue und völligem Unverständnis betrachtet. Wenn dann auch noch die Mutter bei den Kindern daheim bleibt, schlägt es dem Fass endgültig den Boden aus. Viele Kinder kommen heute doch in einer „seriösen“ Lebensplanung gar nicht mehr vor. Stattdessen vor allem Karriere und Selbstoptimierung. Wenn dann auch noch die Familie unter die Logik der Selbstoptimierung gerät, wird es sehr gefährlich (wie ich hörte, gibt es heute Schwangere, die von ihrem ungeborenen Kind wie von einem Gegenstand sprechen).
Ich fände es von daher sinnvoller, Familie ganz bewusst als alternativen Lebensentwurf in Stellung zu bringen. Also als einen Lebensentwurf, wo es vor allem um Gemeinschaft und Solidarität geht, nicht um Materialismus und Selbstverwirklichung.