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Mut zu Kindern

Aller guten Dinge sind drei

Wer hätte gedacht, dass ich einmal zum genetischen Dschingis Khan am Hochrhein mutieren würde? Der berühmte Mongole gilt als Stammesvater der Nation mit seinen 500 Kindern. In Deutschland gilt man offiziell schon ab drei Kindern als Großfamilie. Noch im Jahr 1920 bekam die durchschnittliche Frau in Deutschland fast vier Kinder – unsere Vorfahren lachen vermutlich aus ihren Gräbern über uns, wenn wir mit einem Kind schon völlig überfordert sind. Damals war eine große Familie die Regel, nicht die Ausnahme. Umso verwunderlicher war es, als mich neulich im siebten Monat schwanger unsere Nachbarin vor dem Haus ansprach und fast ungläubig rief: „Was, ihr bekommt noch ein Kind, Elisabeth?“

Natürlich war ich zunächst baff. Was sollte man dazu sagen? Offensichtlich ja. Doch ihre zweite Frage setzte dem Ganzen die Krone auf: „War das denn geplant?“ Mit „das“ meinte sie unser drittes Kind. (Mein Mann und ich sind beide Mitte dreißig – wir wissen also ziemlich genau, wie Kinder entstehen.) Ich antwortete schlicht: „Ja.“ Trotzdem traf mich der fast vorwurfsvolle Unterton unvorbereitet. Auf dem Weg ins Haus fielen mir dann, wie so oft, die besten Antworten ein – Schlagfertigkeit kommt einem bekanntlich immer zu spät.

Mir wurde klar, dass unsere Nachbarin offenbar gar nicht in Betracht gezogen hatte, dass mein Mann und ich Kinder einfach gerne haben. Auch die anstrengenden. Denn Hand aufs Herz: Jedes Kind hat schwierige Phasen. Manche schreien das erste Jahr beinahe durch, andere fordern ihre Eltern erst in der Pubertät heraus, und wieder andere begleiten uns ein Leben lang mit besonderen Herausforderungen. Was alle gemeinsam haben, ist, dass es viel Arbeit und Liebe bedarf, sie großzuziehen.

Faul zu sein mit Kind ist kaum möglich

Trotzdem kann man sich bewusst für eine große Familie entscheiden und Kinder als die wunderbaren, transformativen Wesen sehen, die sie sind. Genau so war es bei uns, trotz unseres ersten „Schreikindes“. Damit meine ich wirklich ein Kind, das ständig geschrien hat in seinem ersten Lebensjahr und dazu noch extrem schlecht geschlafen hat. Eltern, die so etwas in ihrer intakten Ehe erlebt haben, kann so schnell nichts mehr aus der Ruhe bringen. Man bekommt quasi eine Militärausbildung durch die klaren Strukturen und durch das Funktionieren mit minimalem Schlaf.

Heute sind wir bei drei Kindern angekommen. Der kanadische Psychologe Jordan Peterson brachte es einmal in einem Interview treffend auf den Punkt: „Wenn man schon ein Kind hat, ist man sowieso aufgeschmissen, also kann man auch gleich noch ein oder zwei hinterherschieben.“ Ganz Unrecht hat er nicht. Denn die größte Umstellung ist für viele der Schritt vom kinderlosen Leben zum ersten Kind. Der Verlust von Zeit, Geld und Autonomie trifft die meisten an dieser Stelle am heftigsten. Hat man diese Schwelle einmal überschritten, weiß man allerdings, wie der Hase läuft oder, besser gesagt, wie Kinder ticken. Und trotzdem: Jedes Kind ist eine völlig neue, einzigartige Persönlichkeit. Es bleibt also spannend, was für ein Mensch mein drittes Kind ist.

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Meinem dritten Kind werde ich auf jeden Fall eine andere, erfahrenere Mutter sein. Man wird zwangsweise zum Organisationstalent, Multitasking und Produktivität werden für viele Mütter zur zweiten Natur. Faul mit Kind ist kaum möglich. Kinder sind kleine Atomreaktoren, und durch sie erleben wir die Welt wieder durch ihre Augen. Viele von uns verwandeln sich vom Homebody und Netflix Girl in einen Outdoor-Menschen, denn draußen geht mit Kindern vieles leichter. Plötzlich spielen Familie und Rituale wieder eine Rolle. Ostern, Sankt Martin, Weihnachten – die Feste gewinnen an Gewicht, selbst für jene, die nicht religiös sind.

Kinderkriegen wurde zur Privatsache erklärt. Aber es betrifft das ganze Volk

Erst mit Kindern versteht man die wahre Bedeutung von Familie: Zum Leben gehören nicht nur Selbstverwirklichung, Reisen und Karriere, sondern auch Pflicht und gegenseitige Verantwortung. Windeln wechseln, trösten, gemeinsam essen und unzählige kleine Aufgaben täglich. In diesen Momenten offenbart sich, dass Familie nicht Last ist, sondern ein Fundament, das man für die Zukunft gemeinsam aufbaut.

Unsere Nachbarin hätte ich wohl darauf hinweisen sollen, dass ich ihren Dank für die Sicherung ihrer Rente gern annehme. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass Deutschland demografisch altert, gar ausstirbt – langsam, aber stetig. Wenn man Schlagzeilen liest wie „Birthstrike fürs Klima“, „Warum kaum noch jemand Lust auf Kinder hat“ oder „Hurra, wir sterben aus!“, dann entsteht der Eindruck, Kinder seien vor allem eine Belastung. Zugleich wird unproduktiv darüber gestritten, ob Männer oder Frauen die Schuld an den niedrigen Geburtenraten tragen.

Doch wer diese Schlagzeilen liest, ist sich oft nicht bewusst, in welche Art von Höllenwelt der Gerontokratie wir uns bewegen. Immer weniger junge Menschen müssen finanziell für immer mehr Ältere aufkommen, und hinzu kommt die Belastung durch weitestgehend unselektive Massenimmigration. Zugleich wird der Aufbau von Vermögen und Familie für viele junge Berufstätige schwieriger – zu hohe Steuern, hohe Lebenshaltungskosten, unsichere Jobs und hohe Zinsen machen den Schritt zu Haus und Familie schwer.

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Über Jahrzehnte hinweg haben viele politische Strömungen, von liberal bis links, aber auch manche konservative Stimmen, das Kinderkriegen zur reinen Privatsache erklärt. Hinzu kommen Bewegungen, die aus einem Klima-Malthusianismus oder wegen der angeblichen Schlechtigkeit der heutigen Welt auf Kinder verzichten wollen. In Kombination mit einer gesellschaftlichen Abwertung von Ehe und Familie überrascht es daher kaum, dass Deutschland aktuell nur noch auf etwa 1,35 Kinder je Frau kommt.

Wir gehören nicht zu den Verschwindenden

Und doch gibt es einen Lichtblick für uns konservative Kulturkämpfer: Wir gehören nicht zu den Verschwindenden. Empirische Beobachtungen zeigen, dass Konservative stabil Familien gründen und Kinder bekommen, während Liberale und Linke auf „Selbstverwirklichung“ durch Karriere setzen und signifikant weniger Kinder haben. Die Konsequenz liegt auf der Hand: Die Zukunft wird konservativer sein. „Demografie ist Schicksal“ ist nicht nur eine Redewendung, sondern eine uns bald entgegenkommende Realität.

Bis dahin wäre es wünschenswert, wenn Familien wieder stärker gefördert und diejenigen unterstützt würden, die allen gesellschaftlichen Trends zum Trotz bereit sind, Verantwortung für die nächste Generation zu übernehmen. Warum also nicht die Einkommensteuer für Familien mit drei oder mehr Kindern deutlich senken nach dem Vorbild Ungarns? Oder, wie die polnische Regierung es vor kurzem verkündet hat, wird man dort bald ab zwei Kindern keine Einkommensteuer mehr zahlen.

Statt Kindergeld ungezielt ins Ausland zu überweisen, könnten arbeitende Familien, bei denen mindestens ein Elternteil Vollzeit beschäftigt ist, steuerlich entlastet werden. Ebenso ließe sich überlegen, Familien beim Hausbau oder -kauf von der Grunderwerbsteuer zu befreien oder größere Familienfahrzeuge von der Kfz-Steuer auszunehmen.

Es gäbe viele konkrete politische Hebel

Es gäbe viele konkrete politische Hebel, um den Familiensinn wieder zu stärken, wenn der politische Wille vorhanden wäre. Stattdessen erhalten ab November Hebammen weniger Geld für die Betreuung von Schwangeren in Deutschland, und das trotz Rekordbeitragszahlungen an die Krankenkassen. Bei unseren Geburtenzahlen ist das sicherlich der letzte Ort, an dem man sparen sollte. Außerdem können Hebammen dann ihren Lebensunterhalt schlechter bestreiten, was sicherlich zu einer Reduktion von Hebammen führen wird, indem man den Beruf noch finanziell unattraktiver macht.

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Viele Menschen würden sich ein drittes Kind eher zutrauen, wenn die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und die öffentliche Anerkennung für Familien günstiger wären. In Deutschland jedoch wird eine pronatalistische Politik häufig reflexartig kritisch gesehen. Sobald Familie, Mutterschaft oder Kinderreichtum positiv hervorgehoben werden, entstehen bei manchen sofort historische Assoziationen mit dem Dritten Reich. Dabei entspringt der Wunsch, die eigene Kultur, Sprache und Lebensweise fortzuführen, heute in aller Regel keiner ideologischen Haltung, sondern einer natürlichen Zuneigung zu dem, was einem vertraut und lieb ist.

Um auf die Mongolei zurückzukommen – sie hat heute eine gute Geburtenrate im direkten Gegensatz zum Nachbarland China. Die Geburtenrate konnte dort nach einem Rückgang auf 1,9 Kinder pro Frau im Jahr 2005 wieder deutlich steigern – auf rund 2,7 im Jahr 2025. Damit liegt sie heute bei drei Kindern pro Frau näher als bei zwei Kindern pro Frau. Ein Wert, von dem wir in Deutschland derzeit nur träumen können.

Wie hat die Mongolei das geschafft?

Wie hat die Mongolei das geschafft? Zum einen genießt Mutterschaft dort traditionell hohe gesellschaftliche Wertschätzung. Zum anderen unterstützt der Staat Familien gezielt – etwa durch finanzielle Anreize oder symbolische Auszeichnungen wie die „Medaille der glorreichen Mutterschaft“ für Mütter mit sechs oder mehr Kindern. Solche Maßnahmen mögen aus deutscher Sicht befremdlich wirken, doch sie senden ein deutliches Signal: Elternschaft ist keine private Angelegenheit, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe, die Respekt verdient.

Kritiker wenden ein, dass staatliche Anreize nur begrenzt wirksam sind. Doch selbst wenn sie nur wenige zusätzliche Kinder bewirken, werden gerade diese heute dringend gebraucht. Vor allem aber geht es darum, jene zu unterstützen, die bereits Verantwortung tragen, die Mütter und Väter, die Tag für Tag alles für ihre Kinder geben.

Verdient hätten es viele Mütter für ihren unermüdlichen Einsatz, ihre Geduld und ihre Stärke. Besonders diejenigen, die sich trauen, über die oft als „normal“ geltende Zwei-Kind-Grenze hinauszugehen in einem Land, in dem das Kinderkriegen fast schon verpönt ist. Deutschland sollte wieder zurück zur alten Weisheit finden: Aller guten Dinge sind drei.

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